Die Wunderkerzen Posse des FC St. Pauli, in Gemeinschaft mit dem DFB und der Hamburger Feuerwehr, ist die große Lachnummer dieser Ostertage. Eine Posse, die es bis in die Tagesschau online schaffte, die aber gar nicht lustig ist, sondern tragisch. Vor allem für den FC St. Pauli!
Vielmehr ist es eine traurige und typische Geschichte aus unserer technokratisierten Welt, in der Organisationen, wie der DFB, aber auch die Feuerwehr und der FC St. Pauli nur auf eines aus sind: Haftungsrisiken begrenzen, auch wenn das, was wir bisher als Leben wahrgenommen haben, dann geopfert werden muss. Erklärt immer mit derselben Keule: es könnten Menschen verletzt werden, womöglich Kinder.
Der Wahnsinn dieser Machtausübung durch Regulierung wird nur punktuell so deutlich, wie an diesem Wochenende. Wir haben und so sehr daran gewöhnt, an die verfasste Risikolosigkeit unserer Öffentlichkeit, das wir Verbote und Regulierungen kaum noch hinterfragen. Organisationen übernehmen keine Verantwortung mehr. Die wird in Form von Drohungen und Verboten auf das Individuum abgeschoben.
Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da wurde man nicht genötigt, den gesamten Flug angeschnallt zu bleiben, weil etwas passieren könnte. Das war jedem selbst überlassen.
Auf den Wunderkerzen-Fall angewandt, könnte sich das ganze durchaus so zugetragen haben: ein Sponsor will seine erkauften Privilegien dazu nutzen, das Millerntor-Stadion mit kindlich-schöner Atmosphäre zu beglücken. Man will womöglich im ganzen Stadion Wunderkerzen verteilen.
Und nun findet das statt, was ich Haftungsrisiko-Tai-Chi nennen will und das in unserer Welt so ablaufen muss: der Verein fragt bei DFB und Feuerwehr an, wegen der Aktion des Sponsors. Selbst wenn man Machtinteressen bspw des DFB ggü dem FC St. Pauli außer acht lässt, können Funktionäre eine solche Anfrage nur ablehnen. Denn keiner will in dieser Welt mehr Verantwortung übernehmen. Also wird die Aktion untersagt, in dieser merkwürdigen Erklärung, dass Wunderkerzen gebündelt und geworfen Waffen gleichkommen.
Das tragische daran, DFB und Feuerwehr spüren den Wahnsinn schon garnicht mehr, er nutzt ihnen sogar. Dem FC St. Pauli, der von der echten Lebendigkeit seiner Fanschaft lebt, schadet dieses unbestimmte Heraushalten aber enorm.
So macht das Riskiko-Tai-Chi nicht nur die Funktionäre unseres Vereins, vornehmlich Sven Brux zur komischen Figur, sondern jede St. Paulianer_in.
Wunderkerzen werden am Ostermontag wohl das Millerntor umsäumen. Eine tausendfache souveräne Entscheidung von echten Menschen. Für die Lebendigkeit dieses Ortes und gegen Homophobie. Denn das hatten wir uns eigentlich vorgenommen, darüber zu sprechen und zu choreografieren, bevor die Lachnummern beim FC St. Pauli, der Feuerwehr und des DFB uns mit ihrer toten Plastikwelt ablenkten.