Das Rebellen-Dilemma #JollyRoger

oder „Young Rebels? HarrHarr!“

Jolly Roger Hissflagge
Jolly Roger Hissflagge

„Eine Strafe hier, eine Strafe dort. Das läppert sich zusammen und wird von uns nicht mehr tatenlos hingenommen. Ich erwarte, dass hier ein Umdenken in einigen Bereichen des Stadions und im Umfeld einsetzt. Wenn das nicht ab sofort der Fall ist, werden wir zum Handeln gezwungen„, kündigte er in einer Mitteilung des Vereins Konsequenzen an. „Diese Strafen tun dem Verein verdammt weh und gehen am Ende immer zu Lasten von uns allen. Es ist ein Punkt erreicht, an dem sich alle, die den FC St. Pauli ins Herz geschlossen haben, fragen müssen, ob wir wirklich so weitermachen wollen.“ Der Präsident weiß um die Situation des Vereins: „Allen sollte bewusst sein, dass wir uns auf dem Präsentierteller befinden und jede noch so kleine Verfehlung spürbare Konsequenzen für den Verein zur Folge hat.“

Ich zitiere hier das Hamburger Abendblatt einmal länger, auch weil es selbst aus lauter Zitaten besteht. Und eigentlich musste ich als erstes einmal laut lachen: „50 Pfennig hier, 50 Pfennig da, da kommt einiges zusammen“, legte sich mir doch ein Otto Waalkes Sketch über das Gesagte unseres Präsidenten – und tatsächlich, klingt dieses Statement ein wenig lächerlich. Diese Aneinanderreihung von Worthülsen, wilheminischer Großväter und bayrischer Innenminister würdig, sollen dem Boulevard (mit dem hat sich MFC auseinander gesetzt) signalisieren: Wir setzen jetzt mal ein Zeichen, wir, das Präsidium sagen Basta. – Aber zu wem?
Nun ist an anderer Stelle schon darauf hingewiesen worden, dass die DFB-Gerichtsbarkeit im allgemeinen und die jüngste Strafe im besonderen durchaus zu hinterfragen sind. Ich will auf etwas anderes hinaus.
Der FC St. Pauli, genauer seine Vermarkter bei UfA und Upsolut, sind Profiteure eines nicht allein auf das Sportliche zu reduzierenden Image, das eines unangepassten Vereins, angesiedelt in einem rebellischen Viertel. Wie die FAZ (sic!) schreibt, soll die „10 Mio. Euro“-Marke angepeilt sein. Es lebt sich also prima mit der Vermarktung unserer Fanszene: „Der Rapper Nate 57 trägt auf seinen Plattencovern ebenso gerne das Pauli-Symbol zur Schau wie coole Skater auf ihren Boards. St. Pauli ist eben mehr als Fußball. St. Pauli ist ein politisches Statement, ist links und unangepasst.“ – und da wundert sich Stefan Orth, dass es auch mal aus dieser unangepassten Szene heraus bricht. Eine Strafe für die Ausschreitungen der „Lübecker“ und „Bullizisten“ kann man akzeptieren, aber nicht aus seiner eigenen Feigheit folgern, dass sie gerecht sei.
Polemisch und vermarkterisch gedacht (was keinen Widerspruch darstellt, in meinen Augen) kann man sich diese Image-Pflege auch etwas kosten lassen. Rechne ich die 15.000 Euro Strafe gegen einen Jahresumsatz von 10 Mio. Euro gegen, dann ist die DFB-Strafe in 12 Stunden zurück verdient! Sie beträgt 1,5% des anvisierten Jahresumsatzes mit FCSP-Merchandise! Peanuts, schreit das Bänkerherz, und tatsächlich ist es diese heuchlerische Haltung, die mich erbost. Das Label „Non-established“ zu führen, muss man sich aus meiner Sicht auch verdienen. Und wenn man nur mindestens differenziert auf die Fanszene schaut. Man kann nämlich gemeinsam zusammen stehen (United We Stand) – und trotzdem gegen schlimme Eskalationen angehen.
Das schlimme Statement von Stefan Orth (oben) und anderen Vereinsheimern zeugt von einer Ignoranz und Doofheit, die schon weh tut. Wer sich mit den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen um den FC St. Pauli so wenig beschäftigt, wie es die oben zitierten Aussagen vermuten lassen, der setzt schlussendlich auch die „Lizenz“ aufs Spiel, die unsere Fanszene dem Verein erst eingeräumt hat. Das war schon zu Beginn der „Sozialromantiker“ die strukturelle Drohung hinter dem „Jolly Rouge“: nehmt uns ernst, sonst entziehen wir euch den „Markenkern“. Nur Doofe opfern ihre Identität dem Wohlwollen von Axel Springers Schergen.