{"id":2229,"date":"2011-03-22T07:15:04","date_gmt":"2011-03-22T05:15:04","guid":{"rendered":"http:\/\/stpaulinu.de\/?p=2229"},"modified":"2023-10-16T07:22:26","modified_gmt":"2023-10-16T06:22:26","slug":"menschenfaltigkeit-quo-vadis-sankt-pauli","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.stpaulinu.de\/menschenfaltigkeit-quo-vadis-sankt-pauli\/","title":{"rendered":"Que(e)r \u00fcber alle Kurven – Quo Vadis Sankt Pauli?"},"content":{"rendered":"

Hamburg – St. Pauli, 22-3-2011 um 08:15 Uhr<\/em>
\n\"Gegengerade<\/p>\n

St. Pauli ist eine der innovativsten Fanszenen der Welt. Der einzigartige Ruf des Vereines und seiner Anh\u00e4nger ist in den 80er und 90er Jahren aus dem Nichts geschaffen worden und von der Fanszene begr\u00fcndet worden. St. Pauli war damals Vorreiter und Vorbild vieler neuer Entwicklungen in Deutschland und in der Welt. Und heute? Wie ist eigentlich der Stand? Wie geht es weiter? Quo Vadis Sankt Pauli?<\/strong><\/p><\/blockquote>\n

Ich bin naiv. Manchmal komme ich dem einen oder anderen sogar ein wenig einf\u00e4ltig vor, wenn es um den FC St. Pauli<\/strong> geht. Ich hege eine romantische Beziehung zu einem Fu\u00dfballverein. Schon eigenwillig.
\nDabei geht es mir gar nicht so sehr um Fu\u00dfball, was die einen verwirrt, andere beinahe in den Wahnsinn treibt, die mit dem, was St. Paulis Fans geschaffen haben, Geld verdienen sollen. Ehrlich, ich m\u00f6chte Gernots Job nicht haben. Nicht in der ersten Bundesliga, nicht jetzt und auch nicht morgen. Der Mann muss n\u00e4mlich verstehen was merkw\u00fcrdige Menschen wie mich antreibt und es \u00fcbersetzen, in eine Welt, der ich mich ja zu entziehen versuche und die ich in meinem St. Pauli als Eindringling wahrnehme. Die Welt des Marktes und der Zw\u00e4nge, die sich aus Strukturen ergeben, die man allgemein Profisport<\/em> nennt.
\nGernot, das mutma\u00dfe ich, nimmt mich als notwendiges \u00dcbel wahr. Anstatt mich zu umarmen, f\u00fchlt er sich angegriffen, wenn ich seine Probleme nicht zu den meinigen mache. Und dabei vergi\u00dft er vielleicht oft, weswegen er sich das antut. Ich versuche mal, ihm das zu aufzuzeigen, was f\u00fcr mich der Kern meines<\/em> Sankt Pauli ist …
\n

\"Gegengerade
<\/span> Gegengerade – Singing Area<\/figcaption><\/figure><\/p>\n

St. Pauli mischt sich ein<\/h2>\n

Auf einer Ausw\u00e4rtsfahrt kann man mit ein wenig Gl\u00fcck Dinge erleben, die St. Pauli ausmachen (und schreckliche Beispiele daf\u00fcr, was schief gehen kann, wenn nur noch das Motto regiert). Augsburg 2009: die Stadt in der wir lange nicht mehr werden gewinnen k\u00f6nnen (ja, mir graut es vor einem Relegationsspiel dort). St. Pauli Fans aus ganz Bayern reisen an, ich bin auch darunter.
\nZwei \u00e4ltere Herren aus Hamburg auch. Wir unterhalten uns \u00fcber die erstaunliche Vielfalt an Dialekten, die unsere Lieder singen – und die Schattenseiten dieses Booms. Von M\u00fcnchen aus kommend, haben die beiden im gleichen Wagon das U-Bahn-Lied vernehmen m\u00fcssen – und der S\u00e4nger, der lallend da sich einschrie, trug unsere Farben. Da haben die beiden r\u00fcstigen Paulianer ihn am n\u00e4chsten Bahnhof rausgeschmissen; unter Aufbringung all ihrer Autorit\u00e4t. Das Totenkopf-T-Shirt musste er auch ausziehen.
\nEr hat es nicht verstanden, wahrscheinlich bis heute nicht, wie sie mutma\u00dfen, als wir dasitzen und immer noch fassungslos sind. „Anders sein zu wollen, ist da ein h\u00e4ufiger Antrieb“<\/em>, sagt der \u00e4ltere von uns – darauf einigen wir uns k\u00fcchenpsychologisch – irgendwie anders sein, um den Preis, dass der Grund verschwindet hinter dem Krawall. „Wir waren anders, weil wir“<\/em> – damals noch Punker, erg\u00e4nzt er grinsend – „die G\u00e4stekurve sauber gemacht haben, M\u00fcll aufgesammelt haben in selbst mitgebrachten M\u00fcllt\u00fcten.“<\/em> Das machte Eindruck, das war wirklich anders.
\nEine gelassene aber bestimmte Fr\u00f6hlichkeit, die aus einem Selbstverst\u00e4ndnis entspringt, das klar ist, sich nicht zu ernst nimmt und anders sein<\/em> als vielf\u00e4ltige M\u00f6glichkeit ansieht, Utopien ein wenig in die Bereiche zu tragen, die sie am n\u00f6tigsten haben.
\nEin „HSV ist Scheisse“<\/em> f\u00e4llt \u00fcbrigens bei dieser Pr\u00fcfung durch – mit Einmischen hat das nix zu tun \ud83d\ude09<\/p>\n

St. Pauli ist vielf\u00e4ltig<\/h3>\n

\"\"<\/a>
\nDer FC St. Pauli ist ein Fu\u00dfballverein, er hat Kurven und Geraden, die alle etwas vereint. Und doch trennt sie vieles, die Nord und die S\u00fcdkurve, die Gegengerade und die Haupttrib\u00fcne. Mir wird das Gekl\u00fcngel und das Abgrenzen der Stadiongegenden langsam zu viel. Ein schlimmes Beispiel f\u00fcr Kurvenkl\u00fcngelei ist die Frage der Business Seats – deren R\u00fcckbau unterst\u00fctzt USP bspw. nur, wenn zuerst die Business Seats auf der S\u00fcd zur\u00fcckgebaut werden. Die Alteingesessenen an den R\u00e4ndern der Haupt wollen den VIP-Klotz in ihrer Mitte loswerden. So wird das nix. Und es verst\u00e4rkt die Separierung von Fangruppen. Vielfalt muss man aber managen – und dazu geh\u00f6rt, imho, das farbenfrohe Mischen aller Eigenschaften \u00fcber alle Kurven hinweg.<\/p>\n

\u00bbEin wichtiger erster Schritt w\u00e4re, die Vielfalt auf die Trib\u00fcnen zu tragen, also Diversity bspw. auch auf der Haupt herzustellen. Dann braucht man auch keine Benimm-Fibeln mehr, wenn Migrantenkids mit r\u00fcckenkranken Hartz4-Empf\u00e4ngern und beschwipsten Sparkassenangestellten zusammenstehen oder sitzen. Mein Vorschlag zu R\u00fcckbau oder Verteilung von nicht verkauften Business Seats w\u00e4re dazu vielleicht geeignet \u201cKontextualisierung im Rahmen der Viertelkultur und deren Geschichte (herzustellen) \u2013 vielleicht ist das Know How des Herrn Dr. Spies ja dazu angetan, da andere Akzente zu setzen, als sie in den weichgewaschenen Neujahrserkl\u00e4rungen des Pr\u00e4sidums zu lesen waren.\u201d\u00ab – vgl. Vielheit St. Pauli<\/a><\/p><\/blockquote>\n

Vielfalt als Konzept bedeutet f\u00fcr mich, Ideen, wie Frauen-Quoten offen gegen\u00fcber zu sein. Vielfalt auf St. Pauli bedeutet auch, \u00fcber das „wei\u00dfe Vergreisen“ der Gegengerade, nicht nur im Alten Stamm und Support nachzudenken. Wieso finden sich dort so wenig Migranten aus St. Pauli, die Homies von Nate57 und Konsorten?
\nRevolvierende Stehplatz-Kontingente, drei Heimspiele Nord, dann Gegengerade und schlie\u00dflich S\u00fcd – eine Hinrunde um das Stadion – als Idee: das w\u00fcrde Borniertheit, wie ich sie auf der Gegengeraden manchmal finde, entgegenwirken. Die Gr\u00fcnen haben das mal Rotationsprinzip genannt.<\/p>\n

USP*<\/h2>\n

Und nu Gernot, will ich Dir erkl\u00e4ren, wieso das alles besser zu verkaufen geht, als der Schrott, den ihr als Business-Pakete anbietet: weil es das bei Bayer 04 Leverkusen oder Bayern M\u00fcnchen, bei Chelsea und selbst bei Union Berlin nicht gibt. Derselbe Grund, der Manager nach Alaska lockt, um sich dort zu erden und aufzuladen mit Sinn und Magie, der zieht auch Sponsoren an, wie Licht die Motten. Wenn ich h\u00f6re, dass sogar Sponsoren von anderen Vereinen<\/a>, wie Hannover 96 sich mit Ausw\u00e4rts-Karten f\u00fcr den FCSP br\u00fcsten, dann ist das Potenzial enorm.
\nDie meisten Romantiker, die sich da Spieltag f\u00fcr Spieltag, Saison f\u00fcr Saison auf die R\u00e4nge stellen und setzen, kommen nicht wegen des schmackhaften Fu\u00dfballs. Manchmal kommen sie wegen des Biers und der Stadionwurst, ehrlich, das ist ok. Aber viele kommen wegen des Versprechens, hier ein paar Stunden Utopien zu leben, aus sich herauszukommen und Magie am Werke zu sehen, die man selbst mit verursacht. Und deswegen kommen die Sponsoren auch.
\nBottom-up<\/em><\/strong>
\nLebt Vermarktung von unten nach oben. Lasst jeden Sponsor sp\u00fcren, dass er etwas besonderes beizutragen hat, damit die Magie st\u00e4rker wird und nicht erstickt wird, wie Pommes in Majon\u00e4se. Ein paar unsortierte Ideen:<\/p>\n