{"id":9471,"date":"2017-02-10T10:27:20","date_gmt":"2017-02-10T09:27:20","guid":{"rendered":"https:\/\/www.stpaulinu.de\/?p=9471"},"modified":"2023-10-16T07:20:07","modified_gmt":"2023-10-16T06:20:07","slug":"post-leipzig-interview-fussball-red-bull-tradition","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.stpaulinu.de\/post-leipzig-interview-fussball-red-bull-tradition\/","title":{"rendered":"Post aus Leipzig: Fu\u00dfball, Red Bull und Tradition"},"content":{"rendered":"

W\u00e4hrend\u00a0der energischen Diskussion um die Gewalt von Borussia Dortmund Supportern gg\u00fc RB Leipzig Anh\u00e4ngern<\/a>\u00a0bekam ich viele Zuschriften aus Leipzig, unter anderem auch von Nicole vom Fanverbund der RB-Fans. Ich hatte ein paar R\u00fcckfragen, die ich ihr per Whatsapp \u00fcbermittelte. Heute bekam ich ihre Antworten per Post.<\/p>\n

Zwei RB Leipzig Fans im Interview<\/h2>\n

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St. Pauli Nu:<\/em> Wie f\u00fchlt es sich an, als Fu\u00dfballfans auf Fundamentalablehnung zu treffen? Habt Ihr schon eine Form gefunden, damit umzugehen?<\/b><\/span><\/h6>\n

Nicole und Luise vom RB-Fanverband:<\/strong> „Eigentlich nicht, nein. Seit K\u00f6ln hat sich dennoch was ver\u00e4ndert. Der Leipziger Fu\u00dfball war schon immer ein <\/span>schwieriges Feld. Rivalisierende Mannschaften und als Fans mussten wir uns schon fr\u00fcher positionieren und <\/span>sahen uns Anfeindungen ausgesetzt. Dadurch hat man sich\u00a0 <\/span>ein „dickes Fell\u201c zugelegt. Bis zum Aufstieg in die <\/span>1. Bundesliga waren die Feindseligkeiten der gegnerischen Fans ertr\u00e4glich, da sie sich auf Plakate und <\/span>Schm\u00e4hges\u00e4nge beschr\u00e4nkten. Wie \u00fcblich eben. Wir wurden fast immer von vielen Fans ausw\u00e4rts freundlich <\/span>empfangen, gerade wie bei Euch auf St. Pauli.<\/span><\/p>\n

In K\u00f6ln war es in der Tat das erste Mal, wo wir uns nach <\/span>Spielende Gewalt ausgesetzt sehen mussten, gegen\u00fcber unseren Leuten und auch unseren Fahrzeugen.\u00a0<\/span>Dortmund war jetzt nat\u00fcrlich der Gipfel und wir merken, dass jeder und jede, die dabei waren, damit umgehen <\/span>k\u00f6nnen. Die Angst wird jetzt immer Begleiter sein, aber nat\u00fcrlich auch die Hoffnung, dass diese Vorf\u00e4lle vielen <\/span>Gastgebern zu denken geben werden. Vielleicht gibt genau das jetzt den Ansto\u00df \u00fcber Fu\u00dfball an sich, <\/span>Sicherheitskonzepte, Gruppierungen in Mannschaften usw. neu und anders gesellschaftlich zu diskutieren. Das w\u00e4re w\u00fcnschenswert.“<\/span><\/p>\n

Zum Konstrukt RB Leipzig gibt es viel Kritik, vor allem, was den recht unverschleierten Einfluss des Hauptsponsors angeht. Wie steht Ihr als Fans dazu?<\/b><\/span><\/h6>\n

„Ganz ehrlich: die Fans in Leipzig sind dankbar. Nach \u00b489 waren wir im Osten stark gebeutelt von finanziellen\u00a0<\/span>Missst\u00e4nden der Fu\u00dfballvereine. Die Leipziger Fu\u00dfballlandschaft war gepr\u00e4gt von Misswirtschaft,<\/span>Insolvenzen, Zwangsabstiegen und Neugr\u00fcndungen, dem Versinken in der Namenlosigkeit. Die Menschen <\/span>waren ausgehungert nach Fu\u00dfball, es boten sich Chancen auf Bundesliga und sogar vielleicht irgendwann Europa. Zum Anderen ist gerade jungen Menschen eine gro\u00dfartige Chance geboten, den Traum vom Profifu\u00dfball Wirklichkeit werden zu lassen. Das Ausbildungszentrum ist eine gro\u00dfe Nummer und inzwischen ein Aush\u00e4ngeschild. RB f\u00e4hrt in Leipzig ein anderes Konzept und es f\u00fchlt sich so an, als w\u00e4re die Mehrheit der Leipziger*innen, die Spieltag f\u00fcr Spieltag im Stadion jubeln, ziemlich zufrieden damit.<\/span><\/p>\n

Ohne Geld ist auch im Fu\u00dfball heutzutage nichts mehr m\u00f6glich und RB reiht sich da ein – in alle m\u00f6glichen Traditionsvereine. Wie diesbez\u00fcglich die Perspektive aussieht und ob dieses Konzept auf Dauer tragf\u00e4hig ist, wird sich rausstellen und auch unter uns Fans wird das selbstverst\u00e4ndlich kontinuierlich diskutiert.“<\/span><\/p>\n

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„Die Kritik an fehlender Mitsprache beim Verein ist nicht unberechtigt.“<\/p>\n<\/blockquote>\n

Der FC St. Pauli ist ein Mitglieder-gef\u00fchrter Verein und will das auf Biegen und Brechen bleiben, auch damit die besondere Kultur am Millerntor erhalten bleibt. Wie organisiert Ihr Mitsprache?<\/b><\/span><\/h6>\n

„Nunja, wir k\u00f6nnen da mit Euch in keiner Weise mithalten. Die Kritik an fehlender Mitsprache beim Verein ist nicht unberechtigt. Dennoch geben wir uns M\u00fche und versuchen St\u00fcck f\u00fcr St\u00fcck, Mitsprache einzufordern und diese gedeihlich f\u00fcr alle Seiten zu gestalten. Manchmal mehr und manchmal weniger erfolgreich. Wie bei jedem anderen Fu\u00dfballverein haben auch wir viele Fanclubs, AG\u00b4s und IG\u00b4s, die sich in den letzten Jahren gegr\u00fcndet haben. Viele davon sind in unserem Fanverband organisiert. Durch die 7 gew\u00e4hlten Fanvertreter*innen besteht ein enger und regelm\u00e4\u00dfiger Kontakt zwischen dem Fanverband, den Fans und dem Verein. Das wird!“<\/span><\/p>\n

Beim letzten Spiel von Leipzig am Millerntor gab es am Ende zwischen der Nord- und der provisorischen G\u00e4stetrib\u00fcne Schalw\u00fcrfe und gegenseitiges Ansingen. Ist von dem Kontakt etwas geblieben? Wie habt ihr euren Besuch in HH in Erinnerung?<\/b><\/span><\/h6>\n

„Die beiden Besuche auf St. Pauli werden uns in sch\u00f6ner Erinnerung bleiben. Wir haben so viele, uns gegen\u00fcber positiv eingestellte Menschen, getroffen, das war wirklich unglaublich. Aufstiegsw\u00fcnsche, Willkommensgr\u00fc\u00dfe, Feiern nach Spielende \u2013 es war wirklich ein gutes, freundliches, friedliches Miteinander. Am Bahnsteig und auch auf dem Parkplatz wurden Schals getauscht und das Nach-Spiel-Bier gemeinsam getrunken. Genau so stellt man sich doch trotz einer normalen \u201eRivalit\u00e4t\u201c in der Liga einen Fu\u00dfballtag vor!!!“<\/span><\/p>\n

Im Vorfeld gab es Verlautbarungen aus dem RB-Lager, die eine klare antifaschistische und antidiskriminierende Haltung zum Ausdruck brachten. Von vielen St. Paulianer wurde das als „Marketing“ interpretiert. Wie stark sind solche Versuche, linke Fankultur bei Euch zu etablieren eigentlich wirklich?<\/b><\/span><\/h6>\n

„Wir geben uns M\u00fche. Allesamt. Es ist richtig, dass wir uns an gewissen Stellen laut, kritisch und wortm\u00e4chtig \u00e4u\u00dfern m\u00fcssen. Es braucht daf\u00fcr aber zun\u00e4chst eine Selbstverst\u00e4ndigung: Die internen Diskussionen, wo wir hinwollen, laufen. Das muss gemeinsam im Diskurs entstehen. Man muss sich auch immer vergegenw\u00e4rtigen: diese Fanszene gibt es knapp acht Jahre. Wir sind eben kein Traditionsverein, bei dem Dinge seit Jahrzehnten klar sind. Das ist nicht nur Nachteil, sondern auch eine gro\u00dfe Chance. Wir k\u00f6nnen so von anderen Vereinen lernen, genau hinschauen, wie dort Fankultur und Fanszene funktionieren, sich Gutes abschauen, aber Negatives bewusst au\u00dfen vor lassen. Gewalt und Diskriminierung im Stadion. Wir m\u00f6chten, dass diese Familienfreundlichkeit bei RB nicht nur erhalten bleibt, sondern ausgebaut wird. Es geht darum, aufeinander aufzupassen. Parteipolitik hat in den Stadien nichts verloren, aber man kann auf Einstellungen und \u00c4u\u00dferungen seines Nachbarn achten und reagieren.“\u00a0<\/span><\/p>\n

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„Es geht um eine Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung und eine sozial engagierte Fanszene. Das ist der Anspruch.“<\/p>\n<\/blockquote>\n

Wo steht RB Leipzig in f\u00fcnf Jahren? Und wie geht es dann dem deutschen Fu\u00dfball?<\/b><\/span><\/h6>\n

„Wir hoffen nat\u00fcrlich, dass unser RB Leipzig auch in 5 Jahren noch in der 1. Bundesliga spielt, vielleicht sogar auch schon die ein oder andere internationale Luft schnuppern konnte. Wir sind uns sicher, dass Nachwuchstalente aus unserer Akademie auch den Sprung in die Nationalmannschaft schaffen k\u00f6nnen. Wie es dem deutschen Fu\u00dfball geht, ist nat\u00fcrlich keine einfache Frage. Erst einmal spielen unsere Jungs einen tollen, frischen Fu\u00dfball, und nicht das Geld schie\u00dft die Tore, sondern Training und harte Arbeit. Vielleicht w\u00e4re das schon mal ein guter Punkt, den Leute, die \u00fcber Kommerz und fehlende Tradition schwadronieren, verstehen m\u00fcssten. Und ja, woher Tradition, wenn erst acht Jahre alt. Wo bitte ist das Problem? Wir h\u00e4tten gern eine Chance, zu beweisen und zu erkl\u00e4ren und f\u00fcr andere erlebbar zu machen, was an RB m\u00f6glicherweise anders ist. Und dieses andere versuchen wir zu erhalten und zu bewahren, um in einem oder zwei Jahrzehnten sagen zu k\u00f6nnen, das ist unsere gewachsene und erarbeitete Tradition. Wir w\u00fcnschen uns, dass man wieder zur Menschlichkeit zur\u00fcck findet und Fu\u00dfball als das sieht, was er sein sollte: sch\u00f6ne Tage mit Freunden, ohne Angst und Gewalt, seine Mannschaft lautstark anfeuern und nach dem Spiel gemeinsam feiern.“<\/span><\/p>\n

Herzlichst, Nicole und Luise.<\/span><\/strong><\/em><\/p>\n

Vielen Dank f\u00fcr das Interview und viel Erfolg in der Liga – vielleicht sehen wir uns ja irgendwann auf dem Rasen wieder \ud83d\ude09<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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