FC St. Pauli Shopping TV: Voll daneben ist auch vorbei

„Ab sofort präsentieren wir Euch regelmäßig Sendungen, moderiert vom bekannten TV-Duo Ronny und Jens, die bereits viel Erfahrung in diesem Bereich haben und aufgrund ihrer immensen Telegenität sowie ihres Charismas sehr gut zum FC St. Pauli passen“

FCSP.com

Der FC St. Pauli ist auf RTL Plus Niveau angekommen. Was nicht schlimm wäre, wenn man eben dort hinwollen würde. Es steht allerdings zu vermuten, dass der FC St. Pauli, genauer seine Vermarktung im Merchandise, gar nicht trashig sein wollte als er seine neuen Sneaker in Koop mit Puma in einer Shopping-TV-Persiflage anpries; das sollte wohl witzig sein. Ist krachend daneben gegangen.

Fehlende Selbstironie durch Klamauk ersetzt: Shopping TV a la FCSP

Update: das Format ist inzwischen abgesetzt worden. Der Podcast zum Thema hier zum Anhören:

Dabei fände ich ja einen Weg zurück zu unserer alten Stärke ja gut, uns und unser Handeln nicht allzu ernst zu nehmen, zurück zu einer selbstironischen Kommunikation, aus der Chants wie „Wir sind Zecken“ einst entstanden.

Das, was Oliver Kleinfeld* und der FCSP da allerdings anbieten, ist nicht ironisch. Der Witz mit der Buchstütze hat sich so schnell versendet, dass die folgenden Minuten eher anstrengend werden. Auch weil man sich lauter Fragen stellt: Warum nehmen die kein echtes Buch? Die gesammelten Werke von Karl Marx vielleicht in einem schweren Ledereinband. Und warum zum Henker kann ich in einem Teleshopping Kanal nicht wirklich anrufen?

Das wäre witzig, einigermaßen. Und hätte wenigstens einen Bezug zum FC St. Pauli. Anders als der Groschenwestern, den Oliver da in die Kamera hält.

Trash vs. Bad Taste

Ich bin ein Kind der 80er Jahre, medial sozialisiert mit Otto, Klimbim und Dallas. Da schwingt auch immer ein Hang zu Bad Taste mit, einer ironischen Referenz, die das eigene Auftreten nicht ganz so ernst nimmt, manchmal sogar bewusst mit schlechtem Geschmack bestrahlt. Nur muss dies zwingend aus einer festen Haltung passieren, die den schlechten Witz aufzunehmen in der Lage ist. Sonst wirds einfach schlecht. Trashig eben.

Die frühen Studio Braun Telefonstreiche waren so. Fremdscham trifft auf Schadenfreude. Ein schmaler Grat, auf dem aber der FC St. Pauli durchaus wandeln könnte. Vielleicht macht das auch so sauer, dass Ole Drews und sein Chef, Bernd von Geldern, dazu nicht in der Lage sind – und niemand in der Geschäftsstelle sie aufzuhalten vermochte.

Jolly Rouge: Okes LED-Banden-Moment

In der aktiven Fanszene wird schon die Rückkehr des Jolly Rouge gefordert. Erlebt Oke seinen persönlichen LED-Banden-Moment, der die letzte große Fanproteste einleitete?

Ich persönlich halte das für übertrieben. Zuviel läuft strukturell richtig gerade im Verein.

Viel mehr sollten wir darauf drängen, dass die Vermarktung geschult wird – auch beim Thema Popkultur scheint da vieles im Argen zu liegen.

Was witzig gewesen wäre: eine Checkliste

  1. DIY: Warum zum Henker nimmt man einen drittklassigen Warmupper externen, im Verein Unbekannten für so eine Aktion? Der FCSP entstammt einer Selbstmachen-Bewegung. TRAUT EUCH, MACHT DEN SCHIET SELBST. Schlechter, so das Learning, kann es nicht werden.
  2. Marken-Fit beachten: der Markenkern des FC St. Pauli ist ein offensiver linker Progressivismus. Laut, aber nicht aggressiv; immer verwurzelt in der Idee, die Welt um uns herum besser zu machen. Mit dieser Idee im Hinterkopf hätte man bspw. einen Hansa-Fan neu einkleiden lassen können von Guido Maria Kretschmar vielleicht.
  3. Zieht es durch: Teleshopping?, ok. Dann aber richtig: mit Call-in und echter Telefonnummer. Mit runterzählenden Beständen und skurrilen Tests der Ware.
  4. Fragt doch mal: jemanden, der sich mit POP und dem FCSP auskennt. Ich vermittle da gerne 🙂

Ich wünsche mir, dass der Verein das kommuniziert, was er aus unserer Kritik lernt. Als agilem Schritt, der am Ende dazu führen könnte, das wir wirklich was zu lachen haben.

ps wer sich das Video anschauen möchte, hier der Link:

pps andere kramen schon ihren Jolly Rouge heraus, wie der magische FC. Der Millernton geht zum Lachen lieber in den Kölner Keller (das hat mir gefallen) und sich – wie ich auch – einen Verein erhalten, „der sich nicht mehr traut humorvoll zu sein“.

* Oliver Kleinfeld und ich kennen uns flüchtig. In den 90ern haben wir nicht nur dasselbe studiert, wir haben uns auch anstatt an der Uni in der HHer Privatfernsehszene herum getrieben. Auf seinen Effendi-Parties war ich auch gerne und verstehe auch deswegen die Bad Taste Heritage ganz gut 😉