Genosse Oke – Warum die FCSP Genossenschaft eine Spitzenidee ist

Genosse: Photo credit: vinnie bezoomny on Visualhunt.com

Sie geistert schon eine Weile im FC St. Pauli herum: die Idee einer Genossenschaft. Zuletzt kündigte Oke auf der MV 2023 an, diese Idee im Frühjahr 2024 zur Vorschlagsreife zu bringen.

„Wir werden im ersten Halbjahr 2024 dieses Finanzierungsmodell prüfen“

Oke Göttlich auf der FCSP JHV 23

Warum eine Genossenschaft?

Der FC St. Pauli ist seit den Chaosjahren Anfang des Jahrhunderts zu einem finanziell gesunden Verein herangewachsen. Das ordentliche Haushalten ist dem Verein als gebranntes Kind dabei so wichtig, dass manchmal die Haushaltsdisziplin vor der Finanzierung von Visionen steht.

Die jüngste Idee, mit DIIY eine eigene Ausrüstermarke zu etablieren, könnte auch daran gescheitert sein, dass der Verein einfach keinen Spielraum hat, um langfristige Projekte aus dem aktuellen Haushalt zu finanzieren. Neben einem drohenden Abstieg muss da nur eine Pandemie dazwischen kommen, um das ganze kaufmännische Gerüst unter Druck zu setzen.

Da erscheint es sinnvoll, das Bundesliga-Tagesgeschäft von den Investitionen zu trennen.

Wieso eine Genossenschaft die geeignete Form darstellt?

Genossen klingt nicht nur basisdemokratisch, diese Rechtsform ist es auch: egal wieviel eine Genoss:in einzahlt, sie hat eine Stimme in der Genossenschaftsversammlung. Eine Genossenschaft ist ein Unternehmen von Gleichen unter Gleichen. Das passt sehr gut zum FC St. Pauli.

Was könnte die Genossenschaft finanzieren?

  1. Das NLZ: die Investition in „Steine statt Beine“ hat Tradition beim FC St. Pauli. Der Ausbau der Kollaustrasse ist ein Riesenprojekt in Zeiten steigender Zinsen und anfälliger Lieferketten; es machte absolut Sinn die Finanzierung, den Bau und das Risiko aus dem Verein und der Profiabteilung auszulagern.
  2. Den Betrieb und den Ausbau des Millerntor-Stadions. Unser Stadion ist nicht nur ein Schmuckstück, es fungiert auch als wichtigstes Asset einer nachhaltigen Finanzierungsidee: die braucht Sicherheiten. Ich habe scherzhaft mal ggü Vereinsvertretern bemerkt, dass das schon Chuzpe hat, den Mitgliedern ihr eigenes Stadion „nochmal zu verkaufen“; die ideelle Verknüpfung von Stadion und Genossenschaft zur Generierung von Kapitaleinlagen war mW Rettigs Idee – und wird funktionieren 😉
  3. Nachwuchs und Spieler:innen. Seit Ewald Lienen zum Außenminister des FCSP ernannt wurde, träume ich von einer anderen Herangehensweise an das Entwickeln und Binden von angehenden und bestehenden Profifußballern an den FC St. Pauli und Kooperationen mit internationalen Vereinen.

„Damit würden wir zeigen: Nicht nur ein anderer Fußball, ein anderes NLZ, sondern auch eine andere Finanzierung wären möglich.“

Oke auf der MV

Grds. sehe ich die Fragen: wer sind die Genossen mit der hohen Einlage und der kleinen Stimme? Gibt’s die überhaupt? Vor allem nachdem das Tagesgeldkonto wieder Zinsen bringt. Den Stadionbetrieb könnte ich mir vorstellen. Das ist locker soviel wert, dass man 49% in die Genossenschaft legen und aus dem operativen Gewinn die Genossen bedient. Ne Art kleines Edeka 😉

Die internationale Genossenschaft cooler Vereine

Celtic, Tel Aviv, Babelsberg, Altona 93 – der FC St. Pauli und seine Fanschaft pflegt freundschaftliche Kontakte zu internationalen Vereinen. Eine Genossenschaft könnte diese auf eine Geschäftsebene heben: bei der Ausbildung, dem Transfer und der Bindung von jungen Profis. Was Red Bull mit seinem Sponsoring-Ansatz gelang, könnte eine solche international ausgerichtete Genossenschaft weniger brutalkommerziell nachbauen.

Erfolgreich können solche Modelle sein, wie der Blick in andere Bereiche zeigt. Die als Einkaufsgenossenschaft Kieler Einzelhändler gegründete Genossenschaft gibt es noch heute, wie kennen sie als Marktführer unter dem Kürzel EDEKA.

Ich kenne die Pläne nicht im Einzelnen (wie auch), bin aber fest davon überzeugt, dass der FC St. Pauli – will er weiter Profifußball spielen, um die „Plattform St. Pauli“ erfolgreich zu platzieren – nicht darum herum kommt, die Politik der „schwarzen Null“ zu verlassen und Investitionen und Investoren anzuziehen.

Dass dies nicht nach dem Modell Uerdingen oder Union passieren darf, versteht sich von selbst. Eine Genossenschaft passt da viel besser.

Eine Genossenschaft ist kein Schuldentilgungstrick

Ein wenig irreführend ist die Rezeption von Okes Vorstoß in den Medien; dort wird die Ankündigung der Genossenschaft direkt mit dem Fehlbetrag des FC St. Pauli in Verbindung gebracht. Das liegt nahe, zielt aber am Wesen der Idee vorbei. Investitionen sind kein geeignetes Mittel, um Verluste zu kompensieren; und das hat sicher beim FCSP auch keiner vor. Eher die Lehre daraus, beides aus einer Kasse wuppen zu wollen.


Was ist eine Genossenschaft?

Eine Genossenschaft ist eine autonome Vereinigung von Personen, die sich freiwillig zusammenschließen, um ihre gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Bestrebungen durch ein gemeinsam besessenes und demokratisch kontrolliertes Unternehmen zu erfüllen[1][3][5][7][9]. Die Genossenschaftsmitglieder leisten eine Einlage, um die Genossenschaft zu unterstützen und ihre Ziele zu erreichen[2].

Es gibt verschiedene Modelle, um Fußballklubs genossenschaftlich zu organisieren. Ein Modell ist die eingetragene Genossenschaft (eG), die ähnliche Strukturen wie ein Verein aufweist und den Interessen der Mitglieder durch das genossenschaftliche Selbstverwaltungs- und Demokratieprinzip gerecht wird[6]. Dieses Modell wird als kaufmännische Fortsetzung des Idealvereins bezeichnet und könnte den Zwiespalt zwischen traditioneller Vereinskultur und den Anforderungen an moderne Sportvereine lösen[6].

Ein weiteres Modell ist die Gründung einer Genossenschaft, deren Mitglieder eine Einlage leisten. Dieses Modell wurde vorgeschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit von Bundesliga-Vereinen zu erhöhen, die nicht in Kapitalgesellschaften ausgegliedert wurden[2].

Es ist jedoch zu beachten, dass die Wahl der Rechtsform des Fußballclubs auch Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten hat. Insbesondere kleinere Vereine in der 2. und 3. Fußballbundesliga könnten Schwierigkeiten haben, die hohen Kosten, insbesondere im Personalbereich, zu decken[4].

Die Gründung einer Genossenschaft ist jedoch deutlich erleichtert und insbesondere kleinere Genossenschaften sind von bürokratischem Aufwand entlastet[8]. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das Modell der Genossenschaft im deutschen Profifußball ein absolutes Novum wäre[10].


Citations:
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Cooperative
[2] https://archiv.faszination-fankurve.de/index.php?folder=sites&head=Genossenschaft-statt-Kapitalgesellschaft&news_id=9391&site=news_detail
[3] https://www.collinsdictionary.com/us/dictionary/german-english/genossenschaft
[4] https://www.grin.com/document/280092?lang=en
[5] https://en.langenscheidt.com/german-english/genossenschaft
[6] https://www.bisp-surf.de/Record/PU200507001569
[7] https://dictionary.cambridge.org/us/dictionary/german-english/genossenschaft
[8] https://bachelor-master-publishing.de/document/298124
[9] https://en.wiktionary.org/wiki/Genossenschaft
[10] https://www.horstmann-consulting.de
[11] https://en.wikipedia.org/wiki/Eingetragene_Genossenschaft
[12] https://blogs.taz.de/hausblog/taz-grunder-kein-fusballklub-hat-eine-so-grose-fanschaft/
[13] https://www.wordhippo.com/what-is/the-meaning-of/german-word-genossenschaft.html
[14] https://de.linkedin.com/posts/gerd-thomas-5371848a_veganes-essen-holzstadion-bambusleiberl-activity-6876192892130484224-KKnV?trk=public_profile_like_view
[15] https://www.reddit.com/r/germany/comments/32b2lb/what_is_meant_by_gennossenschaftwohnungen/
[16] https://www.linguee.com/german-english/translation/genossenschaft.html

Photo credit: vinnie bezoomny on Visualhunt.com