FC St. Pauli x Borussia Dortmund: Erstklassiger Zweitligist

… bezwingt zweitklassigen Erstligisten

Der FC St. Pauli schlägt einen Pokalsieger am Millerntor. Wieder einmal. Und wieder war der Sieg, vor allem das Wie, nicht vorhersehbar.

Willi und ich trafen uns um 18:30 im Viertel. Erst einmal stärken und mit Schanzenmagie aufladen. Das geht nirgendwo so gut, wie im griechischen Restaurant Plaka an der Schanzenstrasse, in dem mich immer der Hauch des alten St. Pauli und der Nachhall von linken Treffen im Keller umweht. Das Essen ist auch sehr lecker und gutes Bio-Bier haben sie da auch; sowas erleichtert die Vorbereitung auf so ein wichtiges, aber alkoholfreies Spiel im Stadion ungemein.

Zum Abschied nahmen wir den obligatorischen Anti-Corona-Schnaps mit dem Wirt, doch an diesem Tag machten wir etwas anders: wir probierten den dunklen, den Kaffeschnaps, anstatt des Ouzo. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die kleinen Änderungen, die große Wirkung entfalten.

Wir hatten eine Extra-Portion Tzatziki bestellt, ohne zu bedenken, was das unter einer FFP2-Maske anstellen würde, fühlten uns gut gesättigt; waren bereit, Pokal-Geschichte zu schreiben.

Im Stadion krakeelten die, die als „Die 2000, die sich anhören wie 5000“ bekannt werden sollten, sich schonmal warm, als die Boys in Brown nach dem eigenen Aufwärmen in die Kabine gingen. Alle sehr konzentriert dreinblickend, bis auf Finn Ole Becker, der beiläufig und beinahe liebevoll den Jolly Roger an der Eckfahne vor dem Spielertunnel streichelte, ihn kurz ansah und selig weiter lief. Ob er das immer so macht?, ich weiss es nicht. Vielleicht war ihm grad danach und er hat einfach eine Kleinigkeit anders gemacht.

Da wurde mir zum ersten Mal warm ums Herz im schmuddeligen Hamburger Januar.

Und dann ging die Post ab. 4. Minute, Jackson Irvine tanzt mit sich alleine und 5 Hummeln, steckt auf Hartel und der passt vors Tor auf, ja auf den neu in der Startelf stehenden Eti Amenyido; man soll wirklich öfter mal was anders machen, denke ich nach dem ganzen Gejubel und den Gesichtsausdruck unseres jungen Stürmers habe ich seit gestern immer wieder vor Augen. Wie er sich ungläubig mit der Hand über die Stirn streicht, so als könnte er es nicht glauben, dass hier gerade alles anders läuft als „normalerweise“.

Und da wird mir nochmal warm ums Herz, noch ein bisschen wärmer als sowieso schon. So warm, wie die Hände unserer Nummer eins, die in Folge von Reus unter anderem warm – ja heiss geschossen werden.

„20 Minuten und noch kein Gegentor“, sagt Willi neben mir. „Die kann uns keiner mehr nehmen“, antworte ich, „auch wenn Dortmund das hier noch drehen sollte“. Und tatsächlich warten wir beide darauf, dass der BVB die Faxen dicke hat und explodiert, zusammen mit dem Rest des Stadions.

45 Minuten, und wir führen immer noch.

Der Podcast zum Pokalsieg gegen den BVB aus Dortmund (und mit Derbyvorschau)

„Diese erste Halbzeit kann uns niemand mehr nehmen“,

Blogger zu seinem Nebensteher in Block H8

Welle auf Welle strömt durch meinen Körper. Durch das andauernde Singen unter der Maske ist mein Blut mit Sauerstoff so stark gesättigt, dass mein Herz zu springen anfängt. Die Kraft und die Lust, die ich da auf dem Rasen sehe, lassen aber auch keine andere körperliche Reaktion zu. Dortmund explodiert nicht, auch mein Herz ❤ hält sich wacker.

80. Minute und wir führen immer noch. 80 Minuten und Guido Burgstaller, den sie bei BILD TV „Big Burgstaller“ nennen, rennt immer noch schalkswild die erste Linie der Dortmunder an. Ich muss an den Duracell-Hasen denken, nur mit blauen Hosen an, und merke: ich werde übermütig.

„Da war ja Aue stärker“, raunt neben mir einer, offensichtlich auch von Wärme und Übermut umfangen. Aber in der Tat, Aue hatte unsere Raute geknackt, so wie Kiel vor Ihnen. Da hat Schulle gegen den BVB eine Kleinigkeit anders gemacht – die Raute flach. Mehr Arbeit, mehr laufen. Mehr Singen auf der Haupt. Aber wir sind ja alle warm und auf Betriebstemperatur. Und müde wird hier heute auch keiner. Ausser den Dortmundern und vor allem Erling Haaland. Der sieht müde aus, der Baum aus Norwegen. Trotz des geschenkten Tores.

Am Ende schleicht er geschlagen vom Platz. Und mir ist immer noch wohlig warm ums Herz, als ich ihm aufmunternd „Din Mor“ zurufe. Das ist norwegisch für „Deine Mudda“. Das rufe ich sonst nie, aber heute, heute mache ich ein paar Kleingkeiten anders.