FC St. Pauli, und es gibt sie noch, die Magie

Als ich nach dem Spiel in Köln in den Bahnhof Altona einfahre, bin ich genauso ratlos, wie die Kollegen Momo und Kriemhild. Was hemmt denn da? Ist es das Schubertsche Korsett, das einen Kölner Nebensteher zu der Aussage hinriss: »Wenn der Schindler auf die Idee käme zu stürmen legt der Schubert den um«, so sehr war das zu spüren, dass da unsichtbare Seile an den Boys in Brown zogen, wenn sie spielen wollten, es aber doch nicht sollten?
Ist ja auch schwierig, so gegen ein ganzes Stadion, das sich ja wieder zu finden schien gestern Abend, so wie wir nach der Blockade im Spiel gegen Augsburg. Das war schon zu spüren, dieser Kölner Wille, gegen die sportliche Misere, aber auch das schlimme Image anzugehen. Mit rauh-herzlichen Fanbegegnungen und einer Verbrüderung der Rotweissen untereinander. Das war schon schwer dagegen anzusingen, und ehrlicherweise muss man sagen, gelang das nur phasenweise. Ist es da ein Wunder, dass es den Boys in Brown ebenso erging?
Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass sich der doofe eingebaute Anspruch, der ja gerade Köln ausmacht, sich nun auch bei uns findet. 0:0 gegen einen Bundesligaabsteiger bei ihm Zuhause? Das ist tatsächlich nicht Nichts, aber wie sich Marius Ebbers da aus der Affäre zog, auch nicht.
Und so plätschert dieses Spiel in das Gedächtnis, sportlich bleiben die Eindrücke von Magic Saglik und Fin, das Wusel, Bartels, die beide anscheinend taktisch frei bekommen haben, oder bei der letzten Taktikbesprechung noch schnell auf Klo. Denn das hat mich schon beeindruckt, wie energisch, flink und powerful die da über den Rasen in Müngersdorf gerast sind. Bartels auch noch die vielen Fehler von Kalla ausbügelnd. Toll.
Und es bleibt das Kölschtrinken auf der Wiese vor dem Marathon-Tor, durch das auch Stani eines Tages schreiten muss.
Und es bleibt die Frage, was das denn ist, St. Pauli. Ich wünsche mir auch eine Wiese vor dem Millerntor, zum toben und schnacken, zum hinlegen und träumen. Oder einen Garten in der Gegengeraden, der dann wild behütet über die Kanten wächst, den Beton begrabend. »Das wird teuer«, höre ich da Michael sagen, »dann werd schon mal kreativ, was die Finanzierung amgeht«.
Auf dem Bahnhof in Köln steht eine Mutter mit ihrer dreijährigen Tochter und linst zu mir rüber. »Drehn sie sich doch bitte mal um«, sagt sie, und ich tue es. Sie lacht und sagt noch »siehst Du?« zu ihrer Tochter. Beide lachen mich an.
Als ich dann in den Altonaer Bahnhof einfahre, sehe ich die Leichen meiner eigenen Vergangenheit dort verfallen. Ein neuer Stadtteil soll da entstehen, und er wird sicher schick. Aber mit mir hat das wenig zu tun. Und wenn sich Kleine-Mädchen-Mütter sich weiter umdrehen sollen, und lachen, wenn sie meinen Jolly Roger sehen, dann muss auf die Gegengerade schnell Seelenhaftcreme aufgebracht werden. Und bis es soweit ist ein Museum, das wächst, und irgendwann einmal ein Garten ist. Oder ein Urwald meinetwegen.
… Und Du Michael, Dich beauftrage ich damit, Dir schonmal Gedanken zu machen, wie wir das finanzieren.

In