#FCSP – Das Ende eines Zyklus


Ein Jahr wie ein Jahrhundert. Am 15.5.2011 wurde der FC St. Pauli 101 Jahre alt, es endete ein turbulentes Jahrhundertjahr. Die Messe ist gelesen und Aufstieg und Abstieg innert eines Jahres auch irgendwie eine Leistung.
Mutti Mutti mir gehts gut,
weißt nicht was Dein Sohn so tut.
Haben die Kogge versenkt,
zwei Tore eingeschenkt,
Mutti mir gehts gut

Im letzten Mai vollendete sich der Hansa-Zyklus, mit der Mondlandung des Deniz Naki am Millerntor, nach seiner Flaggenparade im Ostsee-Stadion der vorläufige Höhepunkt. Die Wiederentdeckung der eigenen fußballerischen Kraft. Im Abgang euphorisch und wie jede fröhliche Feier mit der Angst vor dem verkaterten Erwachen ausgestattet. Fürth eben. Zuhause Paderborn.

Fast ein Jahr später schaue ich auf die Kirchturmuhr von Nieder-Olm. Mir geht es gut. Mein magischer FC hat gerade den schönsten, fröhlichsten und rundesten Abstieg seiner Geschichte vollendet. Den Jahrhundert-Zyklus. Wir kommen zur Ruhe hier in Mainz, verabschieden dieses freundliche Völkchen von ihrem Bruchweg, den seine architektonischen Brüche ja gerade auszeichnen, wie der Kalk die Böden in der Umgebung. Verabschieden sie nach Europa und uns zurück in die zweite Bundesliga – Back from hell, im Abgang ein wenig mineralisch.
Das ganze Stadion singt Sankt Pauli und tröstet Lelle und Egi in der heimeligen Fremde, große Gesten der Mainzer, herrlich zusammengewürfelte Sankt Paulianer in unserem Block.
Nach dem Spiel schauen wir auf die Früchte der Gegend, besuchen mit der Weinbar St. Pauli das putzige Essenheim und seine Straußenwirtschaft mit leckerem Wein. Wir singen, trinken und feiern den Einzug anderer in den Europapokal – und die Abwesenheit der Euphorie. Sie ist im letzten Jahrhundert zurückgeblieben. Der Wein wird komplexer, die Freude auch.
Als es dunkel ist, feiern wir als größtes Schiff im Hafen noch Flaggenparade.

Am nächsten Vormittag verlassen wir Nieder-Olm. Uwe, der auch HSVer fährt, unser Bussöldner, führt uns freudig zur nächsten Weinprobe. Wieder ein pittoreskes Örtchen. Alle so nett. Und gerade das richtige Umfeld, um die Sehnsucht nach St. Pauli zu nähren. Der Winzer erzählt von seinen Böden, den Lagen und der Mühe, die es macht, täglich im Weinberg zu arbeiten. Das Timing, das so wichtig ist, wenn gelesen werden soll, und ich muss an Stanis Abgang denken, der mir ein wenig zu viel Säure hatte. Wer vor der Zeit aufhört im Weinberg zu zupfen und zu jäten, sich zu früh um die Fässer kümmert, der verpasst wichtiges und ein kleiner Schauer zur falschen Zeit kann die ganze Ernte vernichten.
Schön dun, mit der Magie der Gegend aufgeladen und ein wenig Beute im Kofferraum geht es zurück nach Hamburg. Dem nächsten Zyklus entgegen.

2011/2012 der queere Zyklus

Ich freue mich auf eine Saison, die ohne Anspruch startet. Freue mich geradezu diebisch über die vielen Kündigungen der Business Seats schon zum Ende dieser Saison, haha. Sehe vor mir die vielen Verwebungen der sozialromantischen Bewegung, die JHV im Herbst, wo sich Gegengeraden-Bourgoisie und die Kachelpinkler von der Süd und Haupt zu einem Cuvée melangieren unter dem Jolly Rouge, dem ich jetzt schon die goldene Kammermedaille zutraue.
Tief ins Glas geschaut
Rot-schwarze Flaggenparade am Millerntor. Der Abstieg als Rettung der Romantik und der Traum, dass der Jolly Rouge auch zu Weihnachten im Süden weht – oben drauf.
Stefan Orth, Gernot Stenger, Berd Spies und Jens Duve müssen nun öfter in den Weinberg, wollen sie ihre Karrieren retten. Mit Schulte zusammen das Gestrüpp an Hochmut und Arroganz aus dem Kader und den Funktionären pflücken. Krampfhafte Augenhöhe und pseudo-Reife abschneiden.
Filipovic (wird der Junge Mann so geschrieben?) durfte schon einmal den edlen Tropfen Bundesliga kosten dort unten in Mainz, so wie Winzertöchter bei ihrem ersten Zahn die eigene Ernte probieren dürfen, zum ersten Mal. Wenn Deniz Naki und Rouwen Hennings in ihrer dritten Saison weniger Übermut aus ihrem Holz schwitzen und die alten Reben Bruhns, Rothenbach und Ebbers sich erholt haben von der Überdüngung – dann bin ich nicht bange.
Ich freue mich auf den nächsten Jahrgang 2011/2012. Veredelt in den Partien gegen Rostock und Braunschweig, genossen in Berlin und Duisburg. Vielleicht treffen wir ja diese Saison im Pokal auf eine Gruppe Industrieweine. Die Käfers der Liga und die Spar-Weine, Hannover, hsv und Hoffenheim.
Das nächste Glas bitte.

Mutti Mutti mir gehts gut,
weißt nicht was Dein Sohn so tut.
Haben die Kogge abgehängt,
viel Wein eingeschenkt,
Mutti mir gehts gut

Jeky berichtet über ihr verlängertes Wohnzimmer, den Bruchweg
Momo sinniert Weinweise
und beim Der Übersteiger schließt sich auch ein Kreis.

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