Save St. Pauli: Reeperbahn-Kioske nicht (allein) das Problem

World of Sex auf der Reeperbahn – den weichenden Schmuddelkabinen folgen Kioske

Am kommenden Sonnabend wird auf St. Pauli demonstriert. Das Quartiersmanagement um Julia Staron und den selbsternannten Jugendgang-Vereiniger Michael Runge hat eine Demo organisiert, um nach dem „Wildpinkeln“ das „Wildsaufen“ zu bekämpfen.

Hej, denkt man da sofort, das ist eine tolle Sache. Leuchtet ja ein, dass die Biere, die im Kiosk zum Vorglühen gekauft werden, dann in den Clubs nicht mehr konsumiert werden. Die gerade geschlossene Burlesque-Bar wird hier in Anschlag gebracht gegen Jugendliche aus dem Viertel, aus Altona aber auch aus Pinneberg.

Die Amüsiermeile ist ein billiges Flittchen geworden.

Im Sommer bevölkern Hundertschaften Jugendlicher die Straße VOR den Clubs und cornern sich durch eine feuchte Nacht auf dem Kiez. Die Folge: Kotze im Hauseingang und Uringestank an jeder Ecke.
Aber ist das wirklich ein „ökonomisches Problem?

„Wenn die letzte Bar, der letzte Club geschlossen ist, werdet ihr merken, dass am Kiosk die Kultur am Ende ist“

Die G.A.S. St. Pauli, ein tief im Viertel verwurzelter Fanclub des FCSP ruft dazu auf, sich der Demo zu verweigern. Ihr Argument besticht: denn die Demo-Aufrufenden sind selbst in der Regel an der Eventisierung St. Paulis stark beteiligt und profitieren davon. „Die meisten Subkultur-Läden auf dem Kiez waren 2007 schon nicht mehr existent“. G.A.S vermutet eine Bonzendemo zur Durchsetzung von angestammten Plätzen am Futtertrog St. Pauli Reeperbahn. So ganz abwegig ist diese Idee nicht.
Der Aufruf der G.A.S. im Wortlaut:

Unterstützt NICHT die Anti-KiezKiosk-Demo

Die Situation von vor zehn Jahren kann nur durch Nostalgie idealisiert und verklärt als besser dargestellt werden. Die meisten Subkultur-Läden auf dem Kiez waren 2007 schon nicht mehr existent. Ein Mitveranstalter der Demonstration bedauert in einem Interview aus dem August 2017 die Schließung von Tabledance-Abzockbars auf der Reeperbahn, also einer der wenigen tatsächlichen Verbesserungen der letzten Jahre, und bezeichnet diese Bars als Kulturinstitutionen.

Die Probleme St. Paulis lassen sich nicht lösen, wenn Barbesitzer gegen Kioskbetreiber aufgestachelt werden. Das Problem heisst Gentrifizierung und hat schon längst die gewachsenen Strukturen auf dem Kiez verändert. Die, die heute unter Druck stehen, die ihre „Kultur“ bewahren wollen, sind die Profiteure der vorangegangene Gentrifizierungswelle. Deren Opfer leben und arbeiten schonlange nicht mehr auf St. Pauli.

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