Ultrà Sankt Pauli wird der Hans-Frankenthal-Preis verliehen #AlertaNetwork – Hooray!


Gerade gestern habe ich mich im Ofeuer mit @Momorulez darüber unterhalten, dass man sich von dem Engagement und der offenen Denkstruktur unserer Ultràs eine gehörige Scheibe abschneiden kann, da flattert mir heute die frohe Meldung auf den Tisch, dass die Stiftung Komitee Auschwitz USP mit dem Hans-Frankenthal Preis 2011 auszeichnet.
Mit dem Hans-Frankenthal-Preis 2011 werden drei Initiativen ausgezeichnet, die im Sinne des Auschwitz-Komitees Aufklärungs- und Bildungsarbeit gegen das Vergessen und gegen nationalsozialistische und neofaschistische Bestrebungen leisten:

  • das Institut für Kunst und Forschung, Wolfram P. Kastner, Künstler aus München
  • das Wohn- und Ferienheim Heideruh e.V., Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte
  • die Gruppe Ultrà Sankt Pauli (USP) für das Projekt „Alerta-Netzwerk“

 
Meinen herzlichsten Glückwunsch und tiefen Respekt für euer Engagement und Beharrlichkeit beim Aufbau des Alerta Netzwerkes – und der dem zugrunde liegenden politischen Arbeit am FC SANKT PAULI!

Der Gruppe Ultrà Sankt Pauli (USP) für das Projekt „Alerta-Netzwerk“
Aus der Fanorganisation Ultrà Sankt Pauli heraus entstand 2007 das Alerta-Netzwerk als ein internationaler antifaschistischer Zusammenschluss von jetzt 15 Fangruppen aus Europa und Israel. Der Hans-Frankenthal-Preis wird zur Unterstützung der Netzwerkarbeit verliehen. Im Gutachten heißt es: „Die direkte, Aufsehen erregende und vielfältige Art der Aktionen des Alerta-Netzwerks in einem selten von antifaschistischer ÖÖfentlichkeitsarbeit erreichtem Feld sowie die Themenwahl haben uns imponiert. Die Möglichkeiten, die die Schaffung einer Internetpräsenz mit sich bringt, halten wir für Zukunft weisend und notwendig, insbesondere im Hinblick auf die Unterstützung von Gruppen und Einzel- personen die dem neofaschistischem, rassistischem und sexistischem Mainstream in ihrer Umgebung etwas entgegensetzen wollen und bisher nicht im Alerta-Netzwerk beteiligt sein konnten.“
Der Gruppe wird ein Drittel des Preisgeldes 2011 zuerkannt.


Gutachten zur Preiswürdigkeit
Gutachten zur Bewerbung der Gruppe Ultrà Sankt Pauli mit ihrem Projekt der Arbeit im „Alerta-Netzwerk“ zum Hans Frankenthal Preis 2011.

1) Die Gruppe Ultrà Sankt Pauli (USP)

Die Gruppe ist eine Fanorganisation im Umfeld des Fußball Club Sankt Pauli von 1910 e.V.. Gegründet im Jahr 2002 war das vorrangige Ziel eine kontinuierliche Unterstützung der Mannschaft des FC St. Pauli. Durch politisierte Mitglieder auf der einen und der Notwendigkeit Position bei neofaschistischen Großveranstaltungen und Demonstrationen zu beziehen auf der anderen Seite, entwickelte sich USP bald zu einer Antifaschistischen / Anti-rassistischen Fangruppierung. Neben interner politischer und historischer Bildungsarbeit (regelmäßige Besuche der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Gesprächsrunden mit Überlebenden nationalsozialistischer Verfolgung) entstand die Idee eines Antirassistischen Fußballturniers. Hierbei ist es USP gelungen, neben Fußballteams aus antirassistischen und antifaschistischen Gruppierungen aus verschiedenen Städten Europas auch Teams aus Flüchtlingsunterkünften und Lagern für Asylbewerber_innen „auf den Platz“ zu bringen. Durch die jährliche Ausrichtung dieses Turniers, alle zwei Jahre durch USP, ist es gelungen die staatlich gewollte Isolierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden wenn nicht zu durchbrechen so doch zumindest kontinuierlich zu stören und die Teilnehmer_innen und Besucher_innen für den Umgang der Bundesrepublik Deutschland mit Menschen auf der Flucht und der Suche nach Asyl zu sensibilisieren.
USP ist beständig darum bemüht, die Fans des FC St. Pauli zu politisieren bzw. an politische Traditionen der St. Pauli Fanszene anzuknüpfen. So hat USP unter anderem im und um das Stadion über Neonaziaufmärsche informiert und zur Teilnahme an den antifaschistischen Gegenaktionen aufgerufen, diese wurden zum Teil von USP in erheblichem Maße mitorganisiert.
Die Gruppe ist federführend an Aufbau und Weiterentwicklung des Alerta-Netzwerks beteiligt und übernimmt dort einen Großteil der organisatorischen Arbeit.

2) Das Projekt „Alerta-Netzwerk“

Im Jahr 2007 wurde im Rahmen des Antirassistischen Fußballturniers (Antira) das Alerta- Netzwerk gegründet. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss Antifaschistischer Fangruppierungen, inzwischen sind 15 Fangruppen aus verschiedenen Ländern Europas und Israel in diesem Netzwerk vereint.
Vor dem Hintergrund rassistischer, antisemitischer und sexistischer Äußerungen und Stimmungsmache in vielen nationalen und internationalen Fankurven wuchs die Erkenntnis, dass hier politische Intervention notwendig ist.
Im Umfeld vieler Fußballvereine organisieren sich Menschen mit neofaschistischer, rassistischer und anders menschenverachtenden Überzeugungen um zu Hetzen aber auch um rassistisch oder sexistisch motivierte Überfälle und körperliche Gewalt gegen vermeintlich Linke, Migrant_innen, Homosexuelle oder Fangruppen anderer Vereine aus zu üben. Auch nutzen neonazistische Organisationen gezielt Fangruppen zur Verbreitung ihrer Überzeugung und zur Gewinnung neuer Mitglieder.
Dies spielt sich nicht im Verborgenen ab sondern wird häufig durch Sprechchöre und Transparente offen und aggressiv in den Stadien und deren Umfeld propagiert.
Hierzu leisten die Mitgliedsgruppen des Netzwerks eine ausführliche Dokumentationsarbeit. Diese beinhaltet unter anderem zahlreiche Fotos von Transparenten und Spruchbändern mit offen rassistischen, sexistischen und neofaschistischen Anfeindungen und Verhetzungen.
Das Alerta-Netzwerk schafft einen Austausch zwischen antifaschistischen und antirassistischen Fangruppen, lädt gegenseitig zu selbstorganisierten Treffen mit politischem Bildungsprogramm und zur Verabredung gemeinsamer politischer Aktionen ein. Hierbei sind neben dem jährlichen „Antira-Fußballturniers“ vor allem die Action-Days zu erwähnen. Alle im Netzwerk vertretenen Gruppen verabreden sich zu bestimmten Tagen, meist zwei bis drei Mal im Jahr, in den jeweiligen Stadien mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf Themen aufmerksam zu machen und sich zu positionieren. An diesen Tagen wird in den bis zu fünfzehn Stadien während des Spiels mit Sprechchören, großen Transparenten, Fankurvenbildern (über den Kopf gehaltene Pappen die in der Masse ein riesiges Spruchband oder Bild darstellen) oder einstudierten Performences auf die rassistische europäische Flüchtlingspolitik aufmerksam gemacht, gegen Frauenfeindlichkeit und Homophobie protestiert oder zu antifaschistischen Aktionen mobilisiert. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit des Netzwerks ist die Unterstützung von Fans, die sich in ihren Städten und im Umfeld „ihrer“ Fußballvereine einer großen Anzahl Rechter gegenübersehen und dem entgegenwirken wollen. So leistet das Netzwerk zur Zeit vor allem in Osteuropa Hilfe beim Aufbau Antirassistischer Fangruppen.
Um sowohl die Vernetzungsarbeit, als auch die Öffentlichkeitsarbeit zu vereinfachen und wirksamer zu gestalten und darüber hinaus einen einfachen Zugang für neue Interessierte zu den einzelnen Mitgliedsgruppen zu schaffen, plant USP eine Homepage des Alerta-Netzwerks zu erstellen.
Das Preisgeld aus dem Hans Frankenthal Preis würde neben der Bezuschussung von Fahrt- und Materialkosten für die Vernetzungs- und Unterstützungsarbeit und die Action-Days vor allem zur Schaffung eben dieser Internetpräsenz des Netzwerks verwendet. Aber auch Abseits des Geldpreises wäre die Auszeichnung mit dem Hans Frankenthal Preis für das Alerta- Netzwerk im allgemeinen und USP im speziellen von großer Bedeutung da sich im Umfeld vieler Fußballvereine und Stadien die Überzeugung hält, das die Mitglieder des Netzwerks Auseinandersetzungen erst provozieren – nach dem Motto „Solange die Neonazis hier unwidersprochen agieren konnten war es ruhiger“.

3) Nachhaltigkeit

Seit fast zehn Jahren engagieren sich USP, aber auch andere Gruppen des Netzwerks in „ihren“ Stadien antifaschistisch und antirassistisch, Das Netzwerk selber hat mit fast fünfjähriger Arbeit Kontinuität bewiesen. Gerade im Umfeld von Fußballspielen sind viele, vor allem jüngere Menschen anzutreffen, die durch herkömmliche antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit nicht erreicht werden. Durch die Schaffung einer Internetpräsenz wäre der Zugang Interessierter zu den Mitgliedsgruppen erleichtert und den Fortbestand gesichert. Hilfestellungen und Unterstützung für antifaschistische Fußballfans außerhalb des jeweiligen regionalen Bereichs der bestehenden Gruppen würde hierdurch ermöglicht. Mit der Vergabe des Hans Frankenthal Preis an USP für ihre Arbeit im Alerta-Netzwerk würde eine Gruppe unterstützt werden von der zu erwarten ist, dass auch in Zukunft Antifaschismus, Antirassismus und Antisexismus einen festen Platz im Fußballstadion hat.

4) Inhaltliche Kriterien

Mit der kontinuierlichen und sichtbaren Anwesenheit als Antifaschistische/Antirassistische Fangruppe in den Fußballstadien wirken die Mitgliedsgruppen des Alerta-Netzwerks als Multiplikatoren antifaschistischer Bildungsarbeit in einer für diese ansonsten schwer zu erreichende Zielgruppe. Gleichzeitig agieren sie als Antifaschist_innen in dem ansonsten eher theoretisch betrachtetem Feld „Rechte Propaganda und Gewalt im Fußballstadion.“
Durch die unterschiedlichen und wechselnden Aktionsformen bei den Actiondays, erstrecht aber durch die Schaffung einer Interpräsenz für das Netzwerk und die Beteiligung an der Vorbereitung immer neuer Antifaschistischer und Antirassistischer Aktionen ist das Projekt als innovativ zu bezeichnen. Die Ziele des Auschwitz-Komitees und der Stiftung Auschwitz- Komitee werden sowohl von USP als auch vom Alerta-Netzwerk verfolgt und umgesetzt. In der Bildungsarbeit werden die Biographien von Opfern des Nationalsozialistischen Regimes durch Veranstaltungen, Besuche von KZ-Gedenkstätten und insbesondere durch Gespräche mit Überlebenden der Konzentrationslager und Widerstandskämpfer_innen gegen das NS- Regime berücksichtigt. Der Actionday gegen die Abschiebung von vertriebenen und geflohenen Roma und die vorherige Auseinandersetzung dazu macht deutlich, das die Gruppen ein umfassendes Verständnis von Antifaschismus und Antirassismus haben, eben so wie die Aktionen gegen Frauenfeindlichkeit und Homophobie eine klare Auseinandersetzung mit und Positionierung zu Sexismus dokumentieren.

5) abschließendes Votum

Die Bewerbung von USP für das Alerta-Netzwerk erfüllt alle Kriterien des Hans Frankenthal Preis.
Die direkte, Aufsehen erregende und vielfältige Art der Aktionen des Alerta-Netzwerk in einem selten von antifaschistischer Öffentlichkeitsarbeit erreichtem Feld sowie die Themenwahl haben uns imponiert. Die Möglichkeiten, die die Schaffung einer Internetpräsenz mit sich bringt, halten wir für Zukunft weisend und Notwendig, insbesondere im Hinblick auf die Unterstützung von Gruppen und Einzelpersonen die neofaschistischem, rassistischem und sexistischem Mainstream in ihrer Umgebung etwas entgegensetzen wollen und bisher nicht im Alerta-Netzwerk beteiligt sein konnten.
Wir bewerten die Bewerbung von USP um den Hans Frankenthal Preis für unbedingt unterstützenswert.
Hamburg, 16.08.11 Maike Oelerich, Jonny Schanz
Hans Frankenthal
Hans Frankenthal (1926-1999), langjähriges Vorstandsmitglied des Auschwitz-Komitees, Mitglied des Zentralrats der Juden und der jüdischen Gemeinde Hagen. Als Jugendlicher wurde er mit seinem Bruder nach Auschwitz verschleppt, überlebte die Zwangsarbeit in Auschwitz-Monowitz, im KZ Mittelbau Dora und im KZ Theresienstadt.

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