Vorlesen im Podcast

Ich habe bald Besuch in meinem #Podcast. Mich beehrt @Toby Baier und wir plaudern, über den FC St. Pauli natürlich und das Podcasten.

Immerhin ist er eine Art Berühmtheit, ein Urgestein der #Podcaster Szene. Toby liest vor und erzählt. Das so erfolgreich, dass ihm seine Hörer_innen regelmäßig Dinge basteln. Toby hat mich bestärkt, das mit dem Solopodcasten weiter zu machen.

Und weil er immer was vorliest, habe ich mir gedacht, mache ich das auch. Zum Einschlafen, wenn ihr wollt — oder zum Zähneputzen, Geschirr ausräumen, zum kochen oder auf dem Weg ins Stadion.. oder, oder.

Der Text, den ich lese in meinem nä Podcast, ist von Hans Fallada und im Gutenbergprojekt abrufbar.

##Einbrecher träumt von der Zelle

„Er hat zwei Jahre Hamburger Gefängnisse hinter sich und fünf Jahre preußische, seitdem ist er auf die Preußen nicht gut zu sprechen. Ihr Strafvollzug taugt nichts, ein aufrechter Mann kommt in ihren Kittchen nicht mal zum Fußballspielen, man muß kriechen dort, um solche Vergünstigungen zu bekommen. Nun hat er, wenn er auf die Arbeit geht, stets einen Stadtplan bei sich, um nicht versehentlich statt in Hamburg auf Altonaer Gebiet einzubrechen. Und nie unterläßt er es, sobald er beim Reeperbahnbummel ans Nobistor, an die Grenze zwischen Hamburg und Altona, kommt, zu erklären: »Machste ’nen Mord, hier: fünfzehn Jahre; einen Schritt weiter: weg mit der Rübe!«

Wenn Sie ihn sehen, macht er sicher keinen schlechten Eindruck auf Sie. Er ist gewandt und höflich, denn er hat sich in seinem Leben mit zuviel schwierigen Lagen abfinden müssen. Er ist gut gekleidet, denn er darf nie durch sein Aussehen Verdacht erregen. Er hat auffallend gewandte Hände, rasche Hände, kluge Hände, die verlangt sein Beruf. Er ist geistesgegenwärtig, wie wäre er sonst dreißig Jahre alt geworden in dem Beruf mit nur sieben Jahren Knast. Er ist, verlangt es die Stunde, brutal bis zum Exzeß, mit Vorsicht und Rücksicht knackt man keine Schränke.

Er hat nur zwei Leidenschaften. Darin liegt seine Stärke, denn wenige Menschen haben ihrer nur zwei. Die eine ist das Brechen, die wurde ihm in die Wiege gelegt. Er denkt heute noch mit Entzücken an die Schauer, die über seinen Leib liefen, als er, ein Dreizehnjähriger, eine Scheibe mit dem Diamanten ausschnitt, einstieg und in der Schlafstube des Onkels stand, den Atem der Schlafenden hörte, nach der Kommode tastete und die Brieftasche nahm. Es war ein feines Stück von Nervenfestigkeit für einen Dreizehnjährigen. Wohl brachte es ihm die Fürsorgeerziehung ein, aber die war so übel nicht, man lernt da noch was für seinen Beruf.

Heute verachtet er solche Gelegenheitseinbrüche, er kann ein halbes Jahr warten, baldowern, bis ein Ding steigt. Am liebsten arbeitet er allein, muß man Kippe machen, ist man immer der Dumme. Bei seinen Hehlern ist er gerne gesehen, sie geben ihm Vorzugspreise, bis zu zwanzig Prozent des wirklichen Wertes: Er hat noch nie einen Schwärzer in die Pfanne gehauen.

Seine zweite Leidenschaft sind die Frauen: Er hat allerdings diese Vorliebe mit fast allen seinen Geschlechtsgenossen gemein. Nur, daß er sich nicht auf eine festlegt. Die Mädchen auf der Reeperbahn, im Gängeviertel kennen ihn alle. Nie hat er andere Mädchen gekannt, auch nie gesucht: Es macht soviel Umstände … . Er braucht Frauen, aber sie sind alle gleich für ihn, er kann sie nicht unterscheiden.

Haß gilt der Schmiere, aber nicht so sehr wie Verrätern aus den eigenen Reihen. Trifft er so einen, wird die ganze Welt rot, auf offener Straße wirft er ihn nieder, beißt, schlägt, reißt ihm ein Ohr ab, zerschlägt eine Nase, bis auf irgendeiner Wache in der Tobzelle die Besinnung, nicht die Reue kommt. Er hält streng auf Berufsehre: Keine doofen Dinger drehen, saubere Arbeit leisten, Schwärzer auf jeden Fall decken, nichts und niemanden verraten. Er ist ein zuverlässiger Kumpel, bis es an die Teilung der Sore geht, wo es heißt, den größten Anteil erkämpfen. Hinterher ist alles wieder gut. Aber vor allem ist er der Feind aller, die keine Ganoven sind.

So geht er durch das Leben, zwischen dem Geschiebe der Menschen, fast still, ohne viel Gemeinsamkeit mit ihren Nöten und Freuden. Aber manchmal, in seinen trüben Stunden, wenn die Polente hinter ihm her ist, wenn er keine ruhige Stunde hat tags wie nachts oder wenn er auch nur einfach traurig ist, fährt er nach Ohlsdorf hinaus und geht um die Fuhlsbütteler Anstalten. Er sieht zu den vergitterten Fenstern empor, er träumt sich wieder drinnen. Dort ist die Ruhe, dort der Schlaf ohne Ängste, das regelmäßige Essen, die gleichen Brüder. Hinter jenen hellen Fenstern hat er in der Tischlerwerkstatt gestanden und Rolljalousieschränke gebaut, eine feine Arbeit, nicht ohne Witz.

Schließlich geht er heim, in die große Stadt, die ohne Heim für ihn ist. Feind aller, sein eigener Feind, mit dem Traum im Herzen von einer kargen Zelle. …“

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