2G am Millerntor – Wenn „Alle oder Keiner“ nicht Alle meint

Zum Heimspiel des FC St. Pauli gegen Ingolstadt wird in der Hansestadt Hamburg das erste Mal die vom Senat ausgeheckte 2G-Regel bei einer Fußball-Großveranstaltung angewandt: Ins Stadion kommen nur Genesene oder Geimpfte. Das sorgt für Diskussionen, auch Unmut, denn statt das ganze Stadion (das ganze Stadion …) zu öffnen , werden die knapp 15.000 zuschauenden Menschen auf die Haupt und die Süd verteilt. Die Nord wird für St. Paulianer_innen gesperrt, teilweise auch die Gegengerade.

Durch diese Maßnahme können wir die Stadionkapazität gegenüber dem vorherigen Spiel gegen Jahn Regensburg auf rund 50 Prozent erhöhen und bis zu 15.000 Zuschauer*innen am Millerntor begrüßen. Ausnahmen gelten für Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren, die auch ohne Impfung/Genesung aber mit einem negativen Schnelltest dabei sein können

FCSP.com

2G oder 3G – eine verzwickte Lage für Oke und den FC St. Pauli

Corona-Schwurbler-Disclaimer: Für eine lebendige Diskussion – und zu der möchte ich euch, die hier mitlesen, einladen – erscheint es mir wichtig ein paar Dinge klarzustellen: Ich halte 2G für begründungsfähig, fundierte Kritik daran aber auch. Ich bin persönlich sogar für eine Impfpflicht, muss aber akzeptieren, dass es diese nicht gibt – woraus sich viele der Probleme ergeben, die der HHer Senat nun auf den FCSP abwälzt. Corona-Leugnung, dusselige Vergleiche oder anderes Geschwurbel dulde ich in dieser Diskussion nicht.

Danke.

Jeder Veranstalter in Hamburg hat seit einiger Zeit die Qual der Wahl: 2G oder 3G. Wer auch Getestete in seine Veranstaltung lassen moechte, der muss mit wesentlich mehr Auflagen rechnen. Für den FCSP bedeutete das, auf ca. 5.000 Tickets und Zuschauer_innen zu verzichten. Neben dem erhöhten Aufwand ein echter Verlust.

Die Tatsache, dass der Verkauf der Tickets erst am Montag Abend startete, mit einer gefühlten Vorlaufzeit von 30 Minuten, zeigt mir, dass der Verein lange mit den Behörden verhandelt haben muss, um eine Hybridlösung zu ermöglichen – grds. 2G, aber in separaten Bereichen 3G anzubieten.

Überhaupt mache ich Oke und Co. keinen Vorwurf, denn der Verein – nehme ich an – ist wie jeder Club auf dem Kiez am Ende seiner Reserven angelangt; kann schlicht nicht auf die Einnahmen verzichten.

USP wieder auf der Süd, dafuer keine Stehplätze auf der Gegengerade, die Nord für Heimfans geschlossen

„Warum packt man die Süd voll und schließt die anderen Stehplatzbereiche?“, fragte Willi gestern in unserem Podcast – und tatsächlich erfahre ich vom Verein wenig, wie es zu dieser Entscheidung kam.

Ich kenne einige auf der Nord, die stinksauer darüber sind, dass einige Fans ihre ganze Kurve zurück bekommen, die auf der Nord aber dafür weichen müssen. Und tatsächlich scheint es hier offensichtlich: für die Rückkehr der Ultràs wird die Süd aufgeschlossen und die Nord zu gesperrt.

Update: „Es gab da eine Diskussion drüber, mindestens mit Fanclub – Sprecherrat, USP, Südkurve und Fanladen. Der Fanclubsprecherrat hat die Fanclubs darüber gestern auch in einer eMail informiert“, schrieb mir Stefan auf Twitter.

„Alle oder keiner“?

Der hohe mögliche Auslastungsgrad und die gelockerten Hygienevorschriften (sorgen) dafür, dass ein Stadionerlebnis möglich wird, in dem die Fan- und Tribünenkultur, wie wir sie als elementar für den Fußball ansehen, wieder möglich ist. Nahezu alle Dauerkarten- und Saisonkarteninhaberinnen und -inhaber haben die Möglichkeit, ein Ticket zu bekommen. Die Stehplätze der Südkurve werden nach aktuellen Planungen gegen Ingolstadt nahezu komplett gefüllt und Ultras ist auch im Stadion wieder möglich!

USP

Ich freue mich wirklich, dass USP und die anderen wieder die Süd bevölkern; ihr habt mir gefehlt!

Trotzdem habe nicht nur ich mich gewundert: Wo und wann fand beim FCSP eigentlich die Diskussion statt, die Süd vollzumachen, und GG-Steh und die Nord zu sperren? Ist wirklich als Frage gemeint – wenn das einvernehmlich war, bspw. via FCSR, dann waere das ja gut. Kann mich da jemand aufklären?

Alle oder keine_r waere damit ja aber nicht erreicht. Das muss man mal kurz festhalten.

Geimpft sein ist eine Frage des sozialen Status

Was mich aber am meisten irritiert und traurig macht, ist die Tatsache, dass zu wenig darauf abgehoben wird, dass viele Ungeimpfte einfach keine Verweigerer_innen sind, es hunderte gute Gründe gibt, warum jemand heute noch nicht durchgeimpft ist.

Da waere zum einen der Zeitpunkt. Willis 2. Impftermin waere am 9. September gewesen, er also bei 2G raus. Das wird vielen so gehen. Auch ein Hinweis auf die Zwangslage, in der der FC St. Pauli steckt, das so schnell durchziehen zu müssen.

Und dann ist Geimpft-sein eben auch eine Frage des sozialen Status, wie Steffen in einem Kommentar unter Christoph Twickels 2G-Kommentar schrieb, den ich (weil öffentlich) hier zitieren will:

Ich bin immer wieder überrascht, wie unkritisch diese 2G-Regelung von großen Teilen auch der kritischen oder emanzipatorischen Szenen abgefeiert wird. Ja, das Impfen ist EIN wichtiger Baustein in der Bekämpfung der Pandemie. Der gesellschaftliche Diskurs und die Diskreditierung aller die sich nicht impfen lassen, erschreckt mich aber dann doch. Das Impfen und Impfbereitschaft auch ein soziale Frage ist, scheint in all diesen „wer sich nicht impfen lässt, ist ja ok, aber der hat dann halt leider Pech gehabt um wird aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen“-Kommentaren (und leider auch in Deinem) so gar keine Rolle zu spielen. Dabei gibt es Untersuchungen, die nahelegen, dass der Zugang zum Impfen abhängig vom sozialen Status ist. (siehe https://www.freitag.de/…/impfvertrauen-ist-eine-soziale… oder https://www.woz.ch/-bbb6)

Steffen J. bei Ch. Twickel bei Facebook

Schwurbeln und polemisches Abgrenzen geht nämlich auch in die andere Richtung. Wer 2G als „alternativlos“ bezeichnet oder Ungeimpften vorwirft, einfach zu doof zu sein, einen Termin abgemacht zu haben, im Sinne von „jeder hätte ja können“, der begibt sich auf einen gefährlichen Pfad.

Ich hätte mir gewünscht, dass der FCSP nach Absage des 2G/3G-Modells auf 3G zurueck gefallen waere. Aber das können wir uns offensichtlich nicht leisten.

Das Thema 2G hatten wir auch im Podcast – hier anhoeren gerne …