FC St. Pauli „Hooligans“ – Eure Gewalt ist unser Problem

Seit letztem Sommer häufen sich die Auseinandersetzungen zwischen Gruppen, die den beiden großen Hamburger Vereinen nahe stehen. Schrecklicher Höhepunkt war der Angriff von HSV-Hools auf einen Bus unbeteiligter St. Paulianer_innen, bei denen eine Auswärtsfahrerin schwer verletzt wurde.
Das Problem ist inzwischen auf dem Boulevard angekommen. Dem Vernehmen nach, nehmen beide Vereine die Situation sehr ernst – es drohen Eskalationen, noch mehr Boulevard, Repression.

banksy london
Photo credit: Chris Devers via Visualhunt / CC BY-NC-ND

Als Nicht-Hooligan (ich provoziere mit diesem Begriff, ich weiss, das hat aber nichts mehr mit „Ultra“-sein zu tun, erinnert eher an klassischen Hooliganismus, wenn auch tlw. mit Raphintergrund 😉 ist ein Verhalten dieser Art schwer zu verstehen.  Ein Ausschluss der beteiligten Gruppen aus dem Stadion ist da schnell gefordert. Das erleben wir im Moment – vor allem aus den Fraktionen, die unseren Ultràs schon immer skeptisch gegenüber standen. Allein, wen soll denn der FC St. Pauli haftbar machen?
Wie oft in solchen Fällen, ist Differenzierung das Gebot der Stunde.

Hooligans mit Ultrà-Habitus?

Wenn ich den Ausführungen und Erzählungen von Menschen rund um den FC St. Pauli glauben kann, dann sind das „unsere Jungs“, die da eine neue Kultur – eine junge, Testosteron-geschwängerte Komponente des Supportertums ausleben. Der Nachwuchs und Randgruppen einer in die Jahre gekommenen Ultra-Kultur, die an ihren Rändern ausfranst.
Letzte Woche habe ich viel zugehört, als dieses Thema immer wieder zur Sprache kam – selbstverständlich habe ich auch keine einfache Lösung parat. Trotzdem möchte ich appellieren – an uns übrige St. Paulianer: Machen wir dieses Problem zu unserem.
Wenn es geht, nicht so, wie es die Hamburger Politik, die Polizei oder die Boulevardmedien machen würden; mit Ausgrenzung und Repression.

Dialog statt Repression

Ich würde mir wünschen, dass der Verein und alle seine Gremien, sein Fanladen und der Fanclubsprecherrat einen Raum schaffen, in dem die Probleme diskutiert werden können. Dafür bedarf es meiner Ansicht nach drei wichtiger Punkte:

  1. Ihr gehört zu St. Pauli – Gruppen junger Männer auf der Südtribüne St. Paulis sind im Zuge dieser Diskussion immer wieder Zuschreibungen und pauschalen Anfeindungen ausgesetzt. Lasst uns feststellen: Ihr seid St. Pauli – mehr noch, ihr seid jung und deswegen verkörpert ihr die Zukunft.
  2. Eure Gewalt ist unsere Gewalt, denn sie geschieht im Namen unseres Vereins und unserer Fanschaft. Damit ist es unser aller Problem, damit umzugehen.
  3. Nehmt ganz St. Pauli mit – es ist wichtig eine Form zu finden, die nun, da das Kind im Brunnen liegt, die ganze Fanschaft mitnimmt, in dem Bemühen, die Situation zu lösen. Schafft Kommunikation, damit nicht weiter spekuliert werden muss.*

Ich wünsche mir da ganz in sozialromantischer Tradition, dass es gelingt mit Blumen statt Stadionverboten Wirkung zu erzielen.
Update: Der Fanladen hat eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er zwar das Problem nicht als „unser“ Problem vereinnahmt, wie ich es mir wünschen würde, allerdings Vermittlung anbietet. Ein erster guter Schritt.

Es ist eine Gewaltspirale entstanden, die nicht zuletzt dazu führt, dass unbeteiligte Dritte aller Seiten in Mitleidenschaft gezogen werden und ganze Fanszenen unter dem Konflikt einzelner Gruppen leiden. …
Um einen Stopp der aktuellen Eskalation zu erreichen, fordern wir alle Beteiligten auf, aktiv nach Auswegen aus der Gewaltspirale zu suchen. …
 
Beide Hamburger Fanprojekte arbeiten an Konfliktlösungsstrategien und bieten allen beteiligten und betroffenen Gruppen ihre Unterstützung an. Wir können jederzeit eine vermittelnde Rolle in diesem Konflikt einnehmen.

Fanladen St. Pauli, April 2017
*) Aus Rücksicht auf die internen Gespräche, bleibe auch ich hier eher vage, wünsche und erwarte aber vom FC St. Pauli, aktiv unterrichtet zu werden, wie dieses Thema sich weiter entwickelt.

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