Statt Derbyfieber, "Krieg der Rosen"

Pyroshow auf der Süd

Teile unserer Fanschaft waren gestern bei einem anderen Derby. Wie im Krieg der Rosen von Astrid Lindgrens „Kalle Blomquist“ legte sich eine andere Dimension über das Spiel – eine die Magie und Zusammenhalt zerstörte.

Irgendwie hat das Millerntor dieses Derby verbockt, ist es uns nicht gelungen, die Magie herzustellen, die nötig gewesen wäre, den hsv an diesem Tag zu besiegen oder wenigstens würdevoll unterzugehen. Und das hat viel, nicht alles, mit den Kurven zu tun.

„Wer wird Deutscher Meister?“

Dabei fing alles so magisch an; das Millerntor spielte die Gästehymne „Wer wird Deutscher Meister“ mit genau der richtigen Prise Ironie, die das ganze Stadion erfasste. Die Blockfahnen, die ich auch erst nach dem Spiel in seiner ganzen Pracht sehen konnte, passten zu dem wuchtigen Auftakt, waren eines Stadtderbys würdig.

Über die erste Halbzeit kann man streiten: war das nun eine anständige Leistung, die durch einen Kunstschuss und einen hellwachen Lasogga zu unseren Ungunsten auslief? Oder war das Angsthasenfußball, der zurecht bestraft wurde? Das mögen andere beurteilen. Für die erstickte Magie am Millerntor waren andere Dinge entscheidend.

Mit Elan aus der Kabine und jäh ausgebremst

Ich stelle mir seit der 46. Minute vor, wie sich das wohl anfühlt, als Boy in Brown. Du kommst nach dem gemeinsamen Huddle, dem gegenseitigen Versprechen, es in der zweiten Halbzeit besser zu machen, wieder auf den Rasen gelaufen, die Haarspitzen voller Adrenalin, kommst gut über die rechte Seite und erzielst beinahe den Ausgleich.

Dann darfst Du aber nicht weitermachen. Der Schiri unterbricht das Spiel, weil die Süd zwar einen Sinn für eindrucksvolle Lichtshows, aber an diesem Tag ein fatales Timing zeigt. Ich kann mir vorstellen, wem diese Unterbrechung am meisten nutzt – der Mannschaft des hsv.

Ich neige nicht zu Ultrabashing, bin in der Vergangenheit sogar als „Sin Fein“ unserer Ultras bezeichnet worden und auch heute, eine Nacht nach dem Spiel, will ich mich auf die Typen konzentrieren, die meiner Ansicht nach die meiste Magie vernichteten: die Rotmaskierten rechts von der Mitte (von der Süd aus gesehen).

30 bis 40 rot-schwarz Maskierte stülpten dem ganzen Stadion ihre Ego-Show auf. Lauter Pyros, permanent gezündet, geschenkt – ich mag Pyrotechnik. Nachdem der Schiri aber unmißverständlich klar machte, die Stadionregie schon zum dritten Mal energisch ermahnte, „noch einmal und dann Spielabbruch“, dann weiter zu zündeln, Raketen in Richtung Spielfeld zu jagen, das grenzt an Sabotage.

Sabotage an dem, zu dem das Millerntor fähig ist. Ich schließe mich Stefan Groenveld an, von dem auch das Titelbild stammt.

Solange Pyrotechnik aber verboten ist, muss niemand nach vorheriger Ermahnung des Schiris und Kommunikation zwischen Mannschaftskapitän und Capo glauben, er könne sich über alle Gesetze hinwegsetzen. Die Frustration über diesen Alleingang weniger war auf weiten Teilen der Süd tief zu spüren. Ich bin mir sehr sicher, dass das intern heftig diskutiert wird.

Die Fans vom FC St. Pauli standen mal für innovativen und lustigen Support. Davon ist heute nur ein wenig Größenwahn übrig geblieben, der vor dem Spiel den gegnerischen Fans vorgeworfen wurde.

Stefan Groenveld

Ich weiss nicht, wo die Rotmasken herkamen, mein erstes Gefühl war, dass man sich hier Gäste eingeladen hat, die das Wohnzimmer verwüsten und dann wieder entschwinden. Wünsche mir hier Aufklärung.

„Die hätten meinetwegen 12:0 gewinnen können, das hätte ich ertragen. Das sinnbefreite Mackern der Rotmaskierten macht wirklich was kaputt. Das hätte der HSV nie hinbekommen“

C. nach dem Spiel

In meiner Wahrnehmung waren eben diese die Adressaten des Unmuts der Gegengeraden, ein „ihr seid scheiße, wie der hsv“ zwar hart, aber verdient. Das sinnlose Präsentieren von abgezogenen Bannern langweilt und outet die „Ultras auf Panzerschokolade“, wie sie ein Nebensteher bezeichnete, als echte Magievernichter.

Wer nach Abpfiff und Ehrenrunde der Mannschaft dann diese nicht einmal mit Applaus verabschiedet, der setzt sich dem Verdacht aus, dass ihm St. Pauli, die Boys in Brown – alle anderen – am Arsch vorbei gehen – schlimmer noch, dass sie das, was für viele von uns St. Pauli ausmacht, verachten.

Die Südkurve und allen voran USP hat nun die Wahl: entweder sich, wie oft zelebriert, muksch ins Schneckenhaus zurückziehen, Kritikerinnen einladen zu irgendwelchen ominösen Treffen zu erscheinen – oder die Verantwortung dafür zu übernehmen, was auf ihrer Kurve passiert. Auch Whataboutism erster Güte, nämlich den Support auf der Gegengerade anzuprangern um vom Fehlverhalten der Rotmasken abzulenken, ist wenig hilfreich.

Der FC St. Pauli wird an diesem Derby nicht zerbrechen, eine Zäsur stellt es aber doch dar. Der Weg zurück zum Roarr, zum magischen Weben einer Kraft, die das ganze Stadion, alle Kurven und die Mannschaft verbindet ist weit geworden.

St. Pauli muss sich entscheiden: jagen Teile unseres Vereins weiter den Großmummrich oder kehren wir zurück zu einem Miteinander?

Weitere Stimmen:

  • Millernton. Wobei ich nicht der Ansicht bin, dass dies „intern in der Süd“, sondern vereinsöffentlich diskutiert werden muss.
  • Stefan Groenveld: Größenwahn ist ein gutes Wort dafür.
  • Magischer FC Blog: heute Full Ack.

„Aber heute hat es das Maß verloren. Der FCSP war immer der Verein, wo es einen Grundkonsens zu Grenzen, die wir nicht überschreiten, gab. Wo man auch mal zurücksteckt. Und wenn das nur heißt, dass die letzte Pyrofackel wieder in die Tasche wandert. Pyro als Choreo ist eben ungleich Pyro als Mackerinstrument.“

Magischer FC Blog

Update: Stellungnahme des FC St. Pauli

Der Verein, mit seiner gesamten Exekutive, dem Vorstand und der Geschäftsführer bis zum Aufsichtsrat, hat eine Stellungnahme verfasst, die mir in seiner Eindutigkeit gefällt: sie setzt Grenzen und zeigt mögliche Konsequenzen auf:

Bei den Vorfällen während des Spiels, die beinahe zum Abbruch der Partie geführt hätten, entstand bei den Verantwortlichen der Eindruck, dass die Selbstinszenierung von Teilen der Fanszene eine größere Bedeutung hat als der Verein und das Spiel der Profimannschaft.

Die Vorfälle stellen eine Zäsur beim FC St. Pauli dar, spiegelt zum Beispiel das Präsentieren von Fanutensilien des Gegners in keiner Weise den Umgang wider, den wir hier in unserem Stadion in der Vergangenheit gepflegt haben. Auch die Menge an gezündeter Pyrotechnik und das Abfeuern von Leuchtkugeln auf das Spielfeld gehen weit über ein akzeptables Maß hinaus. Aufgrund der Vorfälle werden Form und Inhalt des weiteren Umgangs miteinander und Konsequenzen kritisch diskutiert.“

Der Verein bietet all denen, die durch die Vorkommnisse im Stadion nachweislich Schaden erlitten haben (z.B. Verunreinigung der Kleidung) oder die Partie aus Sorge vorzeitig verlassen haben, eine Schadensregulierung an. Die Betroffenen werden gebeten, sich unter report@fcstpauli.com an den FC St. Pauli zu wenden.

FCSP.com

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