Begeisterungslos

Photo credit: Dieter Drescher on Visual hunt / CC BY-NC-ND
Dieter Drescher on Visual hunt / CC BY-NC-ND

Der Sonntag Morgen war raureifig, es war wie das Trotzdeminsbürogehen nach einer langen Party als ich klammgefröstelt zum Anleger der Elbfähre hetzte, um gen Altona überzusetzen.

Um 23:00 Uhr der letzten Nacht saß ich noch mit Willi und Markus gemütlich und an einen lauen Sommerabend denkend bei 17 Grad im Cockpit unseres Segelbootes, doch schon nachts krabbelte die Kälte des nahenden Winters das Thermometer runter und unter meine Decke.

Egal, wo ich zog, immer guckte ein kleines Stück Körper irgendwo heraus und verkühlte. Es schien zwar noch die Sonne, doch der Zauber des geschenkten Spätsommertages war endgültig dahin.

In Heidenheim hatte sich der Spätsommer noch nicht ganz verabschiedet, konnte man an den kurzen Ärmeln der Zuschauer erkennen. „Deswegen haben die da unten guten Wein und wir hier nur Bier“, sagte W. dazu, als wir uns im Kick n Company einen Tisch sicherten. Wir waren nicht viele, die sich das Auswärtsspiel des magischen FC bei seinem Angstgegner ansehen wollten.

Ich bestellte ein alkoholfreies Weißbier, W. einen Schoppen Wein und wir sahen den Boys in Borwn zu, wie sie in Heidenheim eine gute Figur machten. Ja, tatsächlich kam der Gegner nicht so richtig in Fahrt; unsere Jungs aber dummerweise auch nicht so richtig.

Und trotz guter Chancen und einem leichten Übergewicht, erinnerte das Spiel zusehends an die Heimniederlage gegen Darmstadt.

„Wollte Oke nicht eine Mannschaft, die gewinnen will?“

„Wollte Oke nicht eine Mannschaft, die gewinnen will?“, fragte W. rhetorisch und tatsächlich musste ich auch an diesen Paradigmenwechsel denken, dem die Verpflichtung von Jos Luhukay folgte: „Wir wollen keine Mannschaft, die nicht verlieren möchte, sondern eine die gewinnen will“, hatte Oke damals sinngemäß gesagt und tatsächlich zeigte die neu zusammen gestöpselte Mannschaft zu Beginn der Saison die Leidenschaft, die uns so lange fehlte.

St. Pauli spielte begeisternden Fußball, der auch das eine oder andere Mal nach hinten losging – remember Dresden? Klar, das kann passieren, aber solange die Jungs uns so begeistern, wären wir auch bereit, ihnen in den Keller der Tabelle zu folgen. No risk, no fun.

Und Spaß wollen wir haben, jetzt wo wir ihn beim Derby und gegen Kiel üben konnten.

Ich mache mir ein bisschen Sorgen, dass Jos Luhukay in seiner ersten kleinen Krise nur pechdunkle Pädagogik einfällt; er so das Feuer erstickt, das nur noch zu einem Glimmen zu ersterben scheint. Egal, wo man in Heidenheim zog, immer guckte ein Stück nackte Angst hervor, dieses Spiel bitte nicht zu verlieren. Der tabellarische Winter steht vor der Tür und pustet unseren Jungs ins Gesicht, das Feuer der Begeisterung verwehend.

Vielleicht ist es ganz gut, dass im Pokal ein echtes Schwergewicht ans Millerntor kommt. Als Underdog haben wir noch immer am meisten Spaß gehabt – auch wenn es eine Niederlage geben sollte. Mit Begeisterung für unser eigenes Sein, angstfrei Lust versprühend, kann uns auch bei beinahe 0 Grad gar nix passieren.