St. Pauli gegen Hass – Was tun gegen Hate Speech?

Als ich mit dem Bloggen anfing, ging es nicht friedlicher zu im Internet. In Kommentarspalten von Blogs und Usenet-Foren ging es zu, wie bei den Rowdys auf dem Schulhof. Heute ist das Ganze nicht nur potenzierter, weil mit Social Media in der Mitte der Gesellschaft angelangt, es ist auch professioneller geworden: das Geschäft mit dem Hass ist politisch erfolgreich und damit sind wir alle aufgefordert, uns dem Hass im Netz entgegen zu stellen. Aber wie?

Was ist Hate Speech?

Hate Speech ist ein politischer Begriff, und allein deswegen umstritten. Ich nehme hier die Definition der Bewegung gegen Hassrede vom Europarat (https://no-hate-speech.de/de/wissen/) als Richtschnur:

„Hassrede sind sprachliche Handlungen gegen Einzelpersonen und/oder Gruppen mit dem Ziel der Abwertung oder Bedrohung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer (benachteiligten) Gruppe in der Gesellschaft. Die Person oder Gruppe muss dafür rein zahlenmäßig nicht in der Minderheit sein.

Beispiele für Hassrede sind Sexismus, (antimuslimischer) Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Neonazismus, Klassismus (Diskriminierung der „niedrigeren“ Schichten), Ableismus (Diskriminierung von Menschen mit Behinderung), Homo- und Transphobie.

Was Hassrede ist, entscheiden zudem nicht die Haterinnen selbst („Ich bin keine Sexistin/ Nazi/ Rassistin, aber …“), sondern die so Angesprochenen. Auch, wenn die Betroffenen sich nicht zu Wort melden, können sich natürlich Dritte einschalten, um Hate Speech zu benennen und auf sie zu reagieren.“

Eine kleine Handreichung zum Umgang mit „Hass im Netz“ – oder „Papa Blogger erzählt vom Krieg“

Zunächst ist es wichtig, zwei Dinge zu unterscheiden:

  1. Handelt es sich um das, was mich gerade stört um Hassrede oder eine abwegige Meinung, deren Existenz ich akzeptieren könnte?
  2. Bin ich selbst vom Hass betroffen oder schützen mich meine Privilegien vor Verletzung?

Von der Beantwortung dieser Fragen hängt vieles ab.

Ich bin von Hass im Internet betroffen, was kann ich tun?

  1. So schwer es fällt: prüfe, ob Du genug Kraft hast, dem Hassenden gegenüber zu treten?
    Ich hab es schon oft erlebt, dass Betroffene von Hassrede im Internet bis tief in die Nacht mit ihren Peinigern diskutiert haben. Dabei immer mehr ihrer spärlichen Kraft verloren, wobei die Angreifenden immer zahlreicher und stärker wurden. Irgendwann sollte man, der eigenen Gesundheit willen, sich diesen Triggern entziehen.
  2. Hole Dir Hilfe
    Der FC St. Pauli hat selbst eine Social Media Abteilung. Sie sollte ansprechbar sein, wenn Du oder Menschen, die Du kennst, von Hassrede betroffen sind und dies in Vereinsmedien geschieht. Spreche das Team direkt an und fordere es auf, den Hass zu moderieren.

    Der Fanladen, der Fanclubssprecherrat und viele andere Fan-Institutionen sind in sozialen Medien vertreten. Sprich sie an und hole Dir Unterstützung.

Ich habe selbst erlebt, wie zivilisiert man sich streiten kann, wenn der Fanladen moderiert. Wenn Dein Gegenüber ein:e St. Paulianer:in ist, bitte den Fanladen, zu moderieren.

Stelle privilegierte Menschen in den Sturm: Menschen mit Privilegien (wie ich einer bin) können bspw. von Rassismus nicht verletzt werden. Fordere Freunde oder andere St. Paulianer:innen mit dieser Eigenschaft dazu auf, Dir zu helfen, wenn Du nicht mehr kannst oder willst.

Last but not least sind viele FCSP-Blogger direkt ansprechbar (nicht nur ich) – gib uns Bescheid, wir helfen gerne.

  1. Bewaffne Dich mit Rhetorik
    Es gibt im Netz viele Organisationen, die sich dem Kampf gegen den Hass verschrieben haben. Eine davon ist das „No Hate Speech Movement“, bei dem man Hilfe bei akuten und allgemeinen Hass-Lagen erhält:

Ich nehme Hass im Internet wahr, was kann ich tun?

  1. Melde die Kommentare, blockiere die Hassenden
  2. Als Gruppenadmin und Seitenbetreiber: reagiere schnell und zeige Haltung. Diese Regeln helfen: https://neuemedienmacher.de/no-hate-speech-movement
  3. Seid ihr in einem Fanclub oder kennt euch (wenn auch flüchtig?): sprich den Hassenden an. Es kommt immer wieder vor, dass sich Menschen in Online-Diskussionen in trollende Monstren verwandeln. Eine persönliche Ansprache kann diesen Zustand beenden helfen.

Was ist eine echte und was eine leere Drohung?

Dafür gibt es keine allgemein gültige Regel – aber einige Anhaltspunkte.

  • Stammt ein Beitrag von einem Account, der öffentlich Drohungen an verschiedene User:innen verschickt?
  • Wurde die Drohung gezielt adressiert, gar per Briefpost? Oder hat sie willkürlich mehrere Empfänger:innen erreicht?
  • Wird in der Drohung beschrieben, dass „man vorbeikommen wird“? Enthält die Drohung persönliche Daten, die nicht öffentlich sind? Wird die Adresse des:der Betroffenen genannt?
  • Kommen sensible Daten vor, wie zum Beispiel der Beziehungsstatus oder die Namen der eigenen Kinder? Weiß der:die Täter:in zum Beispiel, wer sich zu welchen Zeiten wo aufhält?

Im Zweifelsfall sollte man eine Drohung ernst nehmen. Ein Gespräch mit einer Vertrauensperson in der eigenen Bezugsgruppe oder im Verein, kann bei der Klärung helfen.

Weitere Infos, wie Betroffene mit Hassrede umgehen können, findet sich im „Leitfaden für bedrohte Journalist:innen in Deutschland“ des Neue Medienmacherinnen e.V. – aus dem auch hier zitiert wird.

Kein Hass, aber Widerrede ist angebracht

Die nachfolgenden Regeln gelten für die weniger bedrohlichen Momente, in denen wir aber das, was wir beim FC St. Pauli für Richtig erachten, auch in Online-Diskursen vertreten wollen:

Füttere keine Trolle:

Menschen, die nicht auf Argumente eingehen, wollen idR nur provozieren. Füttere sie nicht.
Im Zweifel:

  • Verlasse die Diskussion
  • Melde den Beitrag und/ oder blockiere den Beitragenden

Erkenne toxische Rhetorik:

Derailing nennt man das systematische Verharmlosen von Diskriminierungserfahrungen. Mache Dich schlau, was alles zum Derailing gehört. Das schützt auch Dich vor ungewolltem Trollen in einer hitzigen Diskussion:

„Aber die Meinungsfreiheit“

Auch im Internet gilt die Meinungsfreiheit und ihre juristischen Grenzen. Allerdings finden die meisten Übergriffe nicht im Öffentlichen Raum statt, sondern in einer Timeline, einem Forum oder in einer Kommentarspalte. Und hier gilt das Hausrecht – auch das Digitale. Für Betreiber von Foren, Communities oder Social Networks gelten strenge Regeln.

Für offizielle FC St. Pauli Seiten gilt also die Stadionordnung oder eine Netiquette. Seid ihr selbst Betreiber einer Gruppe oder eines Blogs, dann gelten eure Regeln. Setzt sie durch und schützt andere vor Hassrede.

#stpaulisolidarisch

Ich bin von dem Ehrenrat vorher informiert worden, dass es diese Aktion seitens des Vereins geben würde und habe deswegen auch begonnen, darüber nachzudenken und ein wenig dazu zu googlen, denn man lernt ja nie aus … das Ergebnis habt ihr gerade gelesen …

Der Verein schreibt dazu:

Es gab, insbesondere in den sozialen Medien, Beleidigungen, Anfeindungen und sogar unverhohlene Gewaltandrohungen gegen leitende Angestellte des FC St. Pauli.

Das sind keine Meinungsäußerungen! Dies ist nicht durch das Grundgesetz und schon gar nicht durch unsere Satzung geschützt! Im Gegenteil: Die Leitlinien des FC St. Pauli beschreiben Toleranz und Respekt im gegenseitigen Miteinander als wichtige Eckpfeiler im Verein.

Das Gros der Diskussionen bei uns ist von den oben beschriebenen Entgleisungen nicht betroffen, und wo würden wir in unserer streitbaren Mitgliedschaft hinkommen, wenn wir alle einer Meinung wären?

Aber: Wüste Beschimpfungen, persönliche Beleidigungen und Verleumdungen sind nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt. So genannte Hate Speech – Hasskommentare – haben beim FC St. Pauli nichts zu suchen!

Lasst uns eine respektvolle Diskussionskultur beibehalten, und uns gerne weiterhin ordentlich streiten. Lasst uns dabei aber immer fair miteinander umgehen!

Es sei in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die Leitlinien, die Stadionordnung und unsere Satzung hingewiesen, wonach bestimmte Verstöße gegen diese geahndet werden können.

Ein ganz klein wenig verwundert bin ich, dass der Anlass Hassrede „gegen leitende Angestellte des FC St. Pauli“ war. Ich habe das nicht mitgeschnitten, dass es einen Fokus geben sollte – denn Hassrede im Weitesten und im konkreten Sinne gibt es gegen PoC, queere und so gelesene Menschen ja gerade auch bei Facebook und den Seiten des FCSP genug. Darauf geht der Text zwar auch ein – aber irgendwie stört mich der Fokus. Aber ihr kennt mich ja. Ich hab immer was zu meckern …

In