Sexismus: The Return of the Sozialromantik

Jedes Präsidium des FC St. Pauli hat früher oder später die Sozialromantiker im Verein auf den Plan gerufen. Bei Corny Littmann war es die Einführung des Millerntalers, bei Stefan Orth die überbordende Vermarktung und bei Oke ist es Auto-Thomsen, die mit ihrer sexistischen Werbebande die Sozialromantik am Millerntor neu entfachen.
Dabei richtet sich der aktuelle Appell weniger an ein störrisches Präsidium, als vielmehr an die Fanschaft als Ganzes, das Thema Sexismus ernsthaft anzugehen, ob an Werbetafeln oder im Sonderzug.
Der Aufruf, der zuerst auf Facebook erschien, im Wortlaut:

An den FC St.Pauli, das Präsidium, den Aufsichtsrat und an uns alle:

Dass sich Frauen in unserem Stadion teilweise schon genauso wohl fühlen können wie Männer, ist eine Errungenschaft. Das ist uns klar, das ist uns wichtig und selten genug in dieser männlich dominierten Subkultur Fussball. Unsere Fanszene hat mehrmals wichtige Aktionen zum Thema Seximus durchgeführt und sexistisches Gepöbel weitestgehend aus unseren Blöcken, Bussen und Kneipen verbannt. Auch dem Präsidium und dem Aufsichtsrat sprechen wir in keiner Weise ab, dass ihnen Antisexismus ein wichtiges moralisches Anliegen ist.
Der Vorfall um die aufgrund von „Absprachefehlern“ durchgerutschte Werbebande „Nix für Pussies“ macht jedoch klar: das reicht bei weitem noch nicht!

Dieses „Durchrutschen“ ist ein Schlag in die Fresse.

Und steht für eine offensichtlich eben doch nicht konsequent antisexistische Haltung. Wir müssen garantieren, dass sowas nicht passiert und beim Thema Antisexismus genauso klar und aktiv sein, wie es unsere Fanszene und der Verein bereits mit anderen Themen sind.
Bei einem rassistischen Spruch eines Werbepartners hätte eine bloße „Entschuldigung“ uns allen sicherlich nicht gereicht.
Wenn in der Kommunikation unserer Werte an Dritte (Dienstleister, Werbepartner, Subunternehmen) nicht die absolute Deutlichkeit in dieser Frage zu erkennen ist, haben wir als Verein ein Problem.
Wenn dann der Partner trotz klarer Position unsererseits nicht mitzieht, darf er nicht mehr unser Partner sein. Moralisch-politische Konsequenz kann es in wettbewerbsorientiertem Leistungssport nicht geben? Kann es natürlich. Und muss es.
Solange Susis Showbar, also Betreiber*innen eines Gastronomiekonzepts, dessen Kernidee die Belustigung von besoffenen Männern durch zum Konsumobjekt degradierte Frauen ist, noch immer Mieter*innen in unserem Stadion sein dürfen, insofern sie „den Spielbetrieb nicht stören“, ist genau die oben benannte Konsequenz nicht möglich. Und macht unseren Antisexismus angreifbar und unglaubwürdig.
Wir fragen also das Präsidium:

  • Wie wird die aktuelle Definition der Vermietung eines Separee an die Amica GmbH sprich Susis Showbar geregelt und kontrolliert?
  • Wie steht es zu der Tatsache, dass der Link von unserer Homepage direkt zum Stangentanz führt?
  • Sind entgegen des Beschlusses auf der Mitgliederversammlung neue Verträge abgeschlossen worden? Falls ja, inwiefern ist eine antisexistische Grundhaltung noch glaubhaft?
  • Wie konkret wurde mit dem „Durchrutschen“ des Bandentextes umgegangen? Was wurde kommuniziert? Ist hier eine klare Haltung unsererseits deutlich gemacht worden? Wie genau?
  • Wie stellt der Verein sicher, dass in Zukunft nichts dergleichen mehr passiert?
  • Und wir fragen uns und euch alle:
    Wollen wir die auf diversen Auswärtsfahrten vorkommenden Mackerrituale aushalten?

Uns jedesmal damit selbst entschuldigen, dass es „eben besoffene Männer sind…“ Oder wollen wir wirklich etwas an diesen Zuständen ändern? Mehr, als wir es bereits versucht haben?
Kommunizieren wir wirklich oft und laut genug nach innen und außen, dass wir explizit kein Standardfussballclub aus Deutschland sein wollen, in dem Frauen nicht mehr als Beiwerk sind und von männlichen Fans in den Hintergund gedrängt, herabgewürdigt, ausgegrenzt oder gar offen belästigt werden? Ist uns das nur ein Anliegen, oder nehmen wir aktiv den Kampf an?
Es ist Zeit, den nächsten Schritt zu gehen und der kann nur heißen:
24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr eine offensive und konsequente Positionierung gegen Sexismus zu formulieren und einzufordern. Von uns allen.
Antisexismus in die Köpfe und Herzen! Kein Ausruhen, kein Schönreden!
Sozialromantiker Sankt Pauli

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